Ruhani bietet Westen konstruktive Gespräche an
New York (dpa) - Neue Hoffnung im jahrelangen Atomstreit mit dem Iran: Bei seinem ersten Auftritt vor den Vereinten Nationen hat sich der neue Präsident Hassan Ruhani zu konstruktiven Gesprächen über das umstrittene Nuklearprogramm bereiterklärt.
Konkrete Angebote machte er vor der UN-Vollversammlung aber nicht. Auch der historische Handschlag mit US-Präsident Barack Obama, auf den viele gewartet hatten, blieb aus. Bereits an diesem Donnerstag soll es in New York jedoch erstmals wieder ein Treffen der Außenminister geben.
In seiner halbstündigen Rede am Dienstagabend (Ortszeit) wies Ruhani alle Vorwürfe zurück, Teheran baue insgeheim an einer eigenen Atombombe. Das umstrittene Nuklearprogramm diene allein zivilen Zwecken. „Der Iran stellt absolut keine Gefahr für die Welt oder die Region dar.“ Für Atomwaffen gebe es in der iranischen Verteidigungsdoktrin keinen Platz. Außerdem widersprächen sie ethnischen und religiösen Überzeugungen. Zugleich warb er für eine Lockerung der Sanktionen, die der Westen verhängt hat.
Mit seinem Auftritt setzte Ruhani einen Kontrapunkt zu seinem Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad. Der bisherige Präsident hatte vor der UN-Vollversammlung mit Hetztiraden gegen Israel und die USA mehrfach für einen Eklat gesorgt. Ruhani, der wegen seines gemäßigteren Kurses zu Hause unter strenger Beobachtung steht, warnte aber ebenfalls vor „kriegstreiberischen Interessensgruppen“ in den Vereinigten Staaten. Beide Länder unterhalten seit mehr als 30 Jahren keine diplomatischen Beziehungen mehr.
Zu einem Treffen der beiden Präsidenten kam es nicht. Aus dem Weißen Haus hieß es, Obama sei dazu bereit gewesen. Der iranischen Seite habe aber abgelehnt, weil dies „zu kompliziert“ geworden wäre.
Bereits an diesem Donnerstag sehen sich jedoch erstmals die beiden Außenminister John Kerry und Mohammed Dschawad Sarif. Dann findet ein Treffen der sogenannten 5+1-Staaten (die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und Deutschland) mit dem Iran statt.
Ruhani sagte zu den US-iranischen Beziehungen: „Wir können zu einem Gerüst kommen, um unsere Differenzen bewältigen zu können.“
International löste Ruhanis Rede vorsichtigen Optimismus aus. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), der sich mit dem neuen Präsidenten auch persönlich traf, sagte: „Der Iran könnte es ernst meinen.“ Weiterhin sei aber große Vorsicht angebracht.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach hingegen von einer „zynischen und heuchlerischen Rede - wie erwartet“. „Ruhanis Rede enthielt keinen einzigen echten Vorschlag, das Atomprogramm zu stoppen. Und es gab auch keine Zusage, Resolutionen des Sicherheitsrates zu befolgen.“ Ruhani habe von Menschenrechten gesprochen, während der Iran an der Abschlachtung von Zivilisten in Syrien beteiligt sei. Er habe Terrorismus verurteilt, während der Iran sich selber in Dutzenden von Ländern des Terrorismus bediene.
Der als gemäßigt geltende Ruhani ist nach seinem überraschenden Wahlerfolg im ersten Durchgang erst seit Anfang August im Amt. Seither verfolgt er einen Kurs der vorsichtigen Öffnung gegenüber dem Westen, der von der religiösen Führung in Teheran genau verfolgt wird. Große Teile seiner Rede waren auch ans heimische Publikum gerichtet.
Der Präsident - früher selbst Irans Atom-Unterhändler - beharrte auf dem Recht seines Landes, Uran anreichern zu dürfen. Inzwischen habe man dafür das nötige Wissen, und die Uran-Anreicherung habe industrielle Ausmaße angenommen. Mit Blick auf die Sanktionen fügte er hinzu, es sei eine Illusion, das Programm noch mit „illegalem Druck“ stoppen zu wollen. Die iranische Wirtschaft und auch die Bevölkerung leiden immer stärker unter den Strafmaßnahmen.
An die Adresse des Westens fügte Ruhani hinzu: „Das Ziel eines Atomprogramms eines jeden Landes darf nur die friedliche Nutzung sein. Ich erkläre hier mit aller Deutlichkeit, dass das der alleinige Zweck des iranischen Atomprogrammes ist.“ Zuvor hatte Obama deutlich gemacht, dass die USA keinen Iran mit Atomwaffen dulden würden. Auch die Drohung mit einem Militärschlag - vor allem aus Israel - steht noch im Raum.
Am standen in der Vollversammlung die Reden weiterer Staatschefs an, unter anderem von Venezuelas neuem Präsidenten Nicolás Maduro. Für die Europäische Union sollte die Außenbeauftragte Catherine Ashton sprechen. Westerwelle ist erst am Samstag an der Reihe. Zugleich wurde weiter darüber verhandelt, wie die sogenannten Jahrtausendziele zum Abbau von Hunger und Armut erfüllt werden können.