Ruhani gewinnt Wahl: Jubel im Iran, Hoffnung im Westen
Teheran (dpa) - Hoffnung im Westen, Skepsis in Israel: Nach seinem Überraschungssieg bei der iranischen Präsidentenwahl hat der moderate Kleriker Hassan Ruhani eine deutliche Kurskorrektur angekündigt.
„Ich freue mich, dass im Iran endlich wieder die Sonne der Vernunft und der Mäßigung scheint“, sagte der 64-Jährige nach seinem Wahlsieg. Der ehemalige Atom-Chefunterhändler will vor allem die internationale Isolierung seines Landes beenden. In der Außen-, Sicherheits- und Atompolitik hat allerdings der oberste Führer, Ajatollah Ali Chamenei, das letzte Wort. Ein radikaler Wandel ist deshalb nicht zu erwarten.
Die US-Regierung betonte ihr Interesse an einer diplomatischen Beilegung des Atomstreits mit Teheran, der voraussichtlich auch beim bevorstehenden G8-Gipfel in Nordirland erörtert wird. In einer Erklärung des Weißen Hauses heißt es, die USA seien weiter zu direkten Kontakten mit der iranischen Regierung bereit. US-Außenminister John Kerry erinnerte Ruhani an seine Wahlkampfversprechungen, sich für mehr Freiheiten für die Menschen einzusetzen. Der französische Außenminister Laurent Fabius lobte den „unerschütterlichen Drang des iranischen Volkes nach Demokratie“.
Der Reformkandidat Ruhani hatte die Wahl im ersten Durchgang mit 50,7 Prozent der Stimmen gewonnen. Er tritt im August offiziell die Nachfolge des international umstrittenen Staatschefs Mahmud Ahmadinedschad an. Abgeschlagen landete der Hardliner Said Dschalili mit 11,7 Prozent auf dem dritten Platz, hinter dem Teheraner Bürgermeister Bagher Ghalibaf (16,6).
Hunderttausende zogen allein in Teheran feiernd durch die Straßen, der Verkehr brach zeitweise zusammen. „Ahmadi (Ahmadinedschad) bye-bye“, riefen sie, und: „Ruhani, kümmere Dich um das Wohl des Landes.“
Für den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist die Gefahr durch Atomwaffen weiterhin nicht gebannt. „Die internationale Gemeinschaft darf sich keinen Illusionen hingeben und sich nicht dazu hinreißen lassen, den Druck auf den Iran zum Stopp des Atomprogramms zu lockern“, sagte der Regierungschef. Das iranische Atomprogramm bleibe „die größte Bedrohung des Weltfriedens“.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, er erwarte von Ruhani eine konstruktive Rolle in der regionalen und internationalen Politik. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und die Bundesregierung in Berlin forderten eine Lösung des Nuklearkonflikts auf diplomatischem Weg. Der Westen verdächtigt den Iran, unter dem Deckmantel der zivilen Forschung an Atomwaffen zu arbeiten. Teheran weist dies zurück.
Russland hoffe auf mehr politische Stabilität in der Region, heißt es in einem in Moskau veröffentlichten Brief von Kremlchef Wladimir Putin. Russland gehört zur sogenannten 5+1-Gruppe (die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland), die mit dem Iran über dessen Atomprogramm verhandeln.
Ruhani erklärte: „Ich werde zu dem stehen, was ich dem iranischen Volk versprochen habe, und werde nicht damit aufhören, bis es erreicht ist.“ Er hoffe, dass der Westen jetzt eine neue Haltung zum Iran einnehme und zwar auf der Grundlage von Fairness und gegenseitigem Respekt.
Ruhani könne die Atompolitik nicht vollkommen verändern, sagte der Iran-Experte Walter Posch von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. „Aber er kann als ersten Schritt die Spannungen herausnehmen.“ Ziel sei es, auf Augenhöhe mit der internationalen Gemeinschaft zu verhandeln. Dafür könne Ruhani anderes Personal einsetzen. Der Präsident entscheidet auch über den wichtigen Posten des Atom-Chefunterhändlers. Es gebe „Grund für Optimismus“, sagte Posch in einem dpa-Gespräch.
„Israel wird jetzt seinen Ton ändern müssen“, sagte der Iran-Experte Meir Javedanfar der dpa. „Sonst sehen wir in Zukunft aus wie die Kriegstreiber.“ Mit seiner kriegerischen Rhetorik habe Ahmadinedschad Israel eher in die Hände gespielt. Seine anti-israelischen Reden hätten der Welt verdeutlicht, warum der Iran keine Atomwaffen haben dürfe, sagte der im Iran geborene Dozent des Interdisciplinary Center in Herzlija.
Die syrische Opposition rief Ruhani zum Kurswechsel im Syrienkonflikt auf. Die wichtigste Oppositionsplattform Nationale Koalition erklärte, sie hoffe darauf, dass Teheran künftig seine Unterstützung des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad beende.
Rund 50 Millionen Iraner waren am Freitag aufgerufen, inmitten einer schweren Wirtschaftskrise und des Atomstreits mit dem Westen einen neuen Präsidenten zu wählen. Insgesamt waren sechs konservative Kandidaten angetreten. Die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent.