Sashas Wirtshaus auf der Grenze zur Europäischen Union

In einer Bar wachsen Kroatien und Europa schon seit Jahren zusammen. Das Land wird am Montag Mitglied.

Obrezje. Wie schön wäre es doch, ein Wildschwein zu sein. Schon oft hat Sasha Kalin darüber nachgedacht, wie er dann durch die benachbarten Wälder streifen würde: ohne Pass, Polizeikontrollen und politische Barrieren.

Doch diese Unbekümmertheit gibt es wohl nur im Tierreich. Wenn kroatische Besucher in Kalins Gasthaus einkehren, müssen sie zuerst die Grenze zur „Festung Europa“ überqueren — und das ist gar nicht gut fürs Geschäft.

Kalin (40) blickt auf eine lange Familientradition zurück. In seinem Gasthaus standen Wildschweine schon auf der Speisekarte, als Europa noch von Monarchen regiert wurde. 1835 öffnete die „Gostlina Kalin“ erstmals ihre Pforten, eingegliedert ins Königreich Österreich-Ungarn.

Es folgten zwei Weltkriege, der Vielvölkerstaat Jugoslawien und in den 90er-Jahren abermals mehrere blutige Konflikte. Geblieben sind zwei Staaten, die heute Kroatien und Slowenien heißen. Und ein Wirtshaus, das mitten auf der Grenze liegt. Slowenien ist bereits EU-Mitglied — Kroatien wird es am Montag.

Nach der Unabhängigkeit beider Staaten im Jahre 1991 zog Kalin eine gelbe Linie quer durch den Schankraum — „aus Spaß“, wie er sagt. Wer seither vom Tresen zum Billardtisch wankt, muss theoretisch immer den Pass zücken. „Stellen Sie sich das mal vor, wenn jemand schon ein paar Gläser intus hat“, sagt der Inhaber mit einem Lächeln.

Ganz so schlimm ist es aber doch nicht, denn selbst die kroatisch-slowenische Bürokratie kennt ihre Grenzen: „Weil der Eingang auf slowenischem Gebiet liegt, gilt die gesamte Bar als slowenisch.“ Kroatische Besucher müssen also tatsächlich ihren Ausweis vorzeigen — allerdings schon am Grenzübergang direkt hinter der Bar.

Dort hält ein kroatischer Beamter in einem kleinen Häuschen Tag und Nacht Wache. Für Außenstehende klingen solche Anekdoten zunächst lustig. Für Kalin und seine fünf Angestellten entwickelte sich daraus in den letzten 20 Jahren ein Kampf ums wirtschaftliche Überleben: „Die ganzen Kontrollen schüchtern die Leute ein.“ Nur durch den zusätzlichen Motel-Betrieb (neun Zimmer) habe man sich überhaupt halten können.

Eine halbe Stunde später sitzt schließlich der erste Gast am Tresen. Damjan Leskovec (37), Slowene, gehört zu den Stammkunden: „Wir verstehen uns alle hier super. Die Spannungen, die es angeblich zwischen den Ethnien gibt, sind doch aufgebauscht.“

Hat die europäische Zukunft denn gar keine Nachteile? Kalin überlegt lange. „Wenn wir den Euro bekommen, wird bestimmt alles teurer.“ Dann lacht er wieder und schwärmt davon, endlich ohne Hürden zwischen den Ländern zu pendeln.