Schweizerische Volkspartei: Stimmungsmache mit einem toten Deutschen
Die Schweiz zieht Auswanderer an — zu viele, sagt die Volkspartei. Sie nutzt ein Unglück zum Protest dagegen.
Zürich. Pietät ist nicht jedem gegeben. Nicht einmal in der Schweiz, wo die Menschen im Allgemeinen sehr höflich und respektvoll miteinander umgehen. Der Absturz eines Kampfjets der Schweizer Luftwaffe bei Alpnachstad unweit des Vierwaldstättersee lag erst kurz zurück, da twitterte der Abgeordnete der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Christoph Mörgeli: „Warum fliegen Deutsche in unseren F/A-18? Warum arbeiten Deutsche als Fliegerärzte der Schweizer Armee? Sorry, hier hat’s einfach Grenzen!“
Manche Schweizer Medien sehen darin den Versuch, den Tod des deutschen Arztes zur Stimmungsmache für ein im Februar anstehendes Referendum über die Begrenzung der Einwanderung zu nutzen. Neben dem Piloten wurde bei dem Unglück der mitfliegende Stellvertretende Chef des Fliegerärztlichen Dienstes der Schweizer Luftwaffe getötet. Der Mann war wenige Jahre zuvor aus Deutschland in die Schweiz gekommen.
„Ich frage mich, weshalb ein Deutscher im Fliegerärztlichen Institut angestellt ist, der noch 2011 im Einsatz für die deutsche Bundeswehr stand“, sagte Mörgeli dem Zürcher „Tages-Anzeiger“. Schließlich würden sich dort „auch sämtliche Generalstabsanwärter, Generäle und die Mitglieder von Spezialeinheiten medizinisch untersuchen (lassen) — Geheimnisträger also“.
Es half wenig, dass die Luftwaffe erklärte, sie habe sich mangels heimischer Fachleute für den Medizinerjob im Ausland umschauen müssen. Natürlich sei er vor der Anstellung einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden. Ungeachtet dessen wollen Mörgeli und andere SVP-Politiker mit einer Anfrage im Parlament klären lassen, ob noch mehr Ausländer in sicherheitssensiblen Bereichen der Schweiz, wie in den Streitkräften oder gar dem Nachrichtendienst beschäftigt sind und wenn ja wieso.
Die Schweiz müsse wieder die Möglichkeit erhalten, Migration auch aus Europa eigenständig zu regeln, forderte SVP-Chef Toni Brunner im vorigen Jahr bei der Einreichung der für das Referendum nötigen mehr als 100 000 Unterschriften. „Es gilt, die Einwanderung zu steuern, zu begrenzen und für den Arbeitsmarkt zu selektieren.“
Für die Schweizer Wirtschaft ist die Initiative ein rotes Tuch. Nicht nur, weil deren Annahme durch das Volk bei der Abstimmung am 9. Februar einen Bruch geltender Verträge mit der EU nach sich ziehen würde, der wichtigsten Region für Schweizer Exporte. „Die Zuwanderung von Arbeitskräften ist für ein Land wie die Schweiz, das wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben will, eine Notwendigkeit“, so die Arbeitgeberverbände.