Schwerer Rückschlag für Chodorkowski

Viele sehen in dem Kremlkritiker ein Opfer politischer Justizwillkür. Den Richtern in Straßburg fehlen dafür Beweise.

Moskau/ Straßburg. Der Kremlkritiker und superreiche frühere Ölboss Michail Chodorkowski (47) ist in russischer Haft gedemütigt und erniedrigt worden. Das hat er nun in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schriftlich.

Doch mit seinem wichtigsten Ziel, als Opfer politischer Justizwillkür anerkannt zu werden, scheiterte er am Dienstag. Die Niederlage ist bitter. Deutschland, die USA sowie Menschenrechtsorganisationen sehen den Gegner von Regierungschef Wladimir Putin als politischen Gefangenen. Aber dem Gericht fehlen für einen politischen Schauprozess die Beweise.

Sieg für Russland, Niederlage für Moskaus Opposition — so fassten auch Kommentatoren russischer Medien den Richterspruch von Straßburg zusammen. Statt als „politisch Verfolgter“ sei Chodorkowski offiziell als „Verbrecher“ eingestuft worden, titelte das Nachrichtenportal newsru.com.

Zwar verurteilte das Gericht Russland zur Zahlung von 10.000 Euro an Chodorkowski — für das erlittene Leid in zu engen Zellen und für zu wenig Waschgelegenheiten. Allerdings sind solche Urteile gegen Russland wegen Verstößen gegen die Rechte Inhaftierter beinahe Routine.

Die Richter machten in ihrem Urteil zudem klar, dass auch politisch engagierte Unternehmer grundsätzlich nicht vor Straffreiheit geschützt seien. Chodorkowskis Anwälte wollen nun trotzdem weiter darum kämpfen, das Vorgehen gegen ihren Mandanten als politisch gesteuert anerkennen zu lassen. Dafür müssen sie, so entschied das Gericht, handfeste Beweise vorlegen.

Dass ein Urteil von immenser politischer Tragweite zunächst ausgeblieben ist, sorgte vor allem unter Russlands prowestlichen Intellektuellen und bei der Opposition für Entsetzen. Der Fall Chodorkowski gilt seit langem als Gradmesser dafür, wie in Russland mit Andersdenkenden umgegangenen wird. Immer wieder haben sich Hoffnungen auf seine vorzeitige Entlassung zerschlagen. Doch der Putin-Gegner kämpft weiter.

Weil der seit fast acht Jahren Inhaftierte mehr als die Hälfte seiner 13-jährigen Straflagerhaft verbüßt hat, beantragte er nun die Aussetzung der Reststrafe bis 2016 zur Bewährung. Ein Moskauer Gericht will darüber demnächst entscheiden. Angesichts der Präsidentschaftswahlen 2012 äußerten Beobachter aber Zweifel. Vor allem das Lager um Regierungschef Putin, dem viele die Rückkehr in den Kreml zutrauen, dürfte demnach ein Interesse daran haben, den finanzstarken Kritiker Chodorkowski weiter hinter Gittern zu halten.