SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz: „Parlament hörbarer machen“

Der Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl, Martin Schulz, über sein Bild von der EU und die Ukraine-Krise.

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Berlin. Im letzten Teil unserer Interview-Serie zur Europawahl am 25. Mai sprach unsere Zeitung mit dem Spitzenkandidaten der SPD, Martin Schulz.

Herr Schulz, mit nur 21 Prozent der Stimmen erzielte die SPD 2009 mit Ihnen als Spitzenkandidat ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl. Warum sollte es diesmal besser werden?

Martin Schulz: Die stärkere Personalisierung des Wahlkampfes wird die Aufmerksamkeit für diese Wahl steigern. Die Bürger haben erstmals einen direkten Einfluss darauf, wer neuer Kommissionspräsident wird. Wer CDU wählt, bekommt Juncker, wer SPD wählt, bekommt Martin Schulz zum Kommissionspräsidenten. Die Stimmung ist gut für die SPD. Das merke ich bei den Umfragen und meinen Wahlkampfauftritten.

Sehen Sie sich schon als neuen Kommissionspräsidenten?

Schulz: Ich tue jedenfalls alles dafür, dass das gelingt. Und ich hoffe, mit unserem Programm, die EU zu reformieren, sie demokratischer, transparenter und sozial gerechter zu machen, auch bessere Chancen zu haben als die politische Konkurrenz.

Was würden Sie als Kommissionschef zuerst machen?

Schulz: Alle Maßnahmen der Kommission zukünftig darauf abklopfen, ob sie Arbeitsplätze schaffen. Und zweitens würde ich den Mitarbeitern der Kommission einen Brief schreiben mit der Bitte, nicht mehr darüber nachzudenken, ob es noch ein Feld in Europa gibt, auf dem wir noch nichts geregelt haben. Stattdessen sollten sie Vorschläge unterbreiten, was besser auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene gelöst werden kann. Denn je ortsnäher eine Entscheidung erfolgt, desto höher ist ihre Akzeptanz.

Das wird die Brüsseler Bürokraten kaum begeistern. . .

Schulz: Mag sein, aber ich will ja auch die Bürger begeistern. Ich will auf eine europaweite Regelung drängen, dass Unternehmen in dem Land ihre Steuern zahlen, in dem sie ihre Gewinne machen. Das Land des Gewinns muss das Land der Steuern werden. Es darf nicht länger sein, dass Arbeitnehmer und Selbstständige ihre Steuern zahlen, aber milliardenschwere Unternehmer ihr Geld in ausländische Steueroasen bringen können.

Offenbar haben die Deutschen mit Europa wenig am Hut. 2009 gab weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Was läuft schief?

Schulz: Es gibt eine Kluft zwischen den tatsächlichen Befugnissen des EU-Parlaments und seiner öffentlichen Wahrnehmung. Ich habe in den letzten zweieinhalb Jahren meiner Präsidentschaft alles getan, um das Parlament hörbarer zu machen. Deshalb bin ich auch für eine bessere Wahlbeteiligung optimistisch.

Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben jetzt auch deutsche Kleinstparteien gute Chancen, ins EU-Parlament einzuziehen. Was bedeutet das in der Praxis?

Schulz: Eben weil es keine Sperrklausel mehr gibt, sollten alle Demokraten mithelfen, einen Einzug radikaler Parteien, vor allem jener, die der Ideologie Hitlers anhängen, durch ihre Stimmabgabe zu verhindern. Das schaffen wir, wenn die Wahlbeteiligung hoch ist.

Wie beurteilen Sie die Rolle der EU im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine?

Schulz: Bis zur Unterschriftsreife des Assoziierungsabkommens mit Kiew im vergangenen November hat die EU alles richtig gemacht. Jetzt müssen wir vermitteln und deeskalieren. Das heißt, Stärke zu zeigen, was die Sanktionen angeht, weil wir den Bruch des Völkerrechts nicht unwidersprochen hinnehmen können, und zugleich die Türen für Verhandlungen mit Moskau offen halten und versuchen, als Nachbarn unsere gemeinsamen Interessen zu definieren.