Syrische Flüchtlinge: In Sicherheit, aber oft nur geduldet
Die Türkei bereitet sich auf neue Flüchtlinge vor. Der Zustrom der Fremden überfordert schon jetzt viele Menschen.
Istanbul. Die Fernsehbilder von der südtürkischen Grenze zu Syrien sind herzzerreißend. Eine alte Syrerin schleppt sich auf allen Vieren in Richtung Sicherheit. Alte Männer sinken zu Boden, nachdem sie es in die Türkei geschafft haben. Kinder tragen Babys auf dem Arm.
Die meisten Menschen haben auf ihrer Flucht vor den Terroristen des Islamischen Staates (IS) nur wenige persönliche Sachen dabei. Zehntausende Syrer sind in die Türkei geströmt, seit die Regierung am Freitag die Grenze öffnete. Auf Hunderttausende weitere bereitet sich das Land vor. 1,3 Millionen Flüchtlinge hat die Türkei bereits aufgenommen.
Die Türkei wird international für ihre Hilfsbereitschaft gelobt. Das Land gewährt den Flüchtlingen kostenlose Krankenversorgung. Doch nur eine Minderheit kann in den 22 Lagern untergebracht werden. Die meisten Syrer leben in den Grenzregionen oder in Metropolen wie Izmir, Istanbul und Ankara. Die einheimische Bevölkerung reagiert zunehmend gereizt auf die Flüchtlinge. In den vergangenen Wochen wurden mehrfach gewaltsame Übergriffe gemeldet.
„Im Tourismus machen sie die Preise kaputt“, sagt Ali Özevin. Der 26-Jährige arbeitet in einem Reisebüro ganz in der Nähe von dem Ort, an dem Fatima bettelt. Die 30-Jährige ist aus Aleppo geflohen und sitzt mit ihren zwei Kindern auf dem staubigen Boden. Ein Hotel reiht sich hier im Zentrum ans andere. Die Geschäfte sind meist zweisprachig beschriftet — arabisch und türkisch. Nicht wegen der Flüchtlinge, sondern für die reichen Touristen aus den Golfstaaten. „In den Hotels und Restaurants hier arbeiten überall Syrer. Sie verdienen weniger als ihre türkischen Kollegen“, sagt Özevin.
Für Bettler hat er kein Verständnis. „Sie sind überall. Sie arbeiten nicht, betteln und klauen.“ Und er fügt an: „Die EU macht es sich zu leicht. Weil wir die Nachbarn sind, sollen wir alle Flüchtlinge aufnehmen und für sie bezahlen. Aber wir haben unsere eigenen Probleme.“
Fatima glaubt, dass es ihr in Istanbul immer noch besser ergeht als in einem Lager. Doch immer wieder bekommt auch sie zu spüren, dass sie nicht willkommen ist. Drei Mal habe die Polizei sie aufs Revier gebracht, sagt Fatima. „Sie haben mich angeschrien und geschlagen, weil ich bettle. Aber was soll ich sonst machen?“