Türkei rettet 49 Geiseln aus der Gewalt der Terrormiliz IS

Istanbul (dpa) - Nach mehr als drei Monaten in der Gewalt der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sind 49 meist türkische Geiseln wieder frei.

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Der Geheimdienst MIT habe sie in einer nächtlichen „Rettungsoperation“ befreit, teilte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit. Die Geiseln, darunter der türkische Generalkonsul in Mossul und seine Familie, konnten am frühen Samstagmorgen in ihre Heimat zurückkehren, wo sie in Ankara von ihren Familien empfangen wurden. Nähere Angaben zu den Umständen der Befreiung der 46 türkischen und 3 irakischen Geiseln machte Erdogan nicht.

Die Zeitung „Hürriyet Daily News“ zitierte ungenannte Geheimdienst- und diplomatische Quellen, wonach die Terrormiliz die Geiseln an die syrisch-türkische Grenze gebracht habe. Lösegeld sei nicht gezahlt worden, es seien auch keine Gefangenen ausgetauscht worden. Gewalt sei nicht angewendet worden.

Unklar blieb, wie die Türkei die Freilassung der Geiseln erwirkte und ob Ankara den sunnitischen Extremisten andere Gegenleistungen zusagte. Die „Hürriyet Daily News“ zitierte eine Quelle, wonach die Extremisten möglicherweise eine Konfrontation mit der Türkei vermeiden wollten.

Die Terrormiliz hatte die Türken in ihre Gewalt gebracht, als sie am 11. Juni das Konsulat im nordirakischen Mossul stürmte. Unter den türkischen Gefangenen waren neben dem Generalkonsul und seiner Familie andere Diplomaten und Sicherheitskräfte. Auch zwei Kleinkinder waren darunter. Bei den drei irakischen Geiseln handelte es sich Medienberichten zufolge um einheimische Konsulatsmitarbeiter.

Die türkische Regierung hatte die Geiseln immer wieder als Hauptgrund dafür angeführt, dass sie sich nicht stärker im internationalen Kampf gegen die sunnitischen Extremisten engagieren könne. Nach der Geiselnahme hatte Ankara eine Nachrichtensperre verhängt.

Die islamisch-konservative Regierung in Ankara steht unter Druck, sich am internationalen Kampf gegen den IS zu beteiligen. Bislang hat die Türkei nur humanitäre Hilfe zugesagt. US-Medienberichten zufolge verweigert der Nato-Partner Türkei auch die Nutzung der Luftwaffenbasis Incirlik nahe der syrischen Grenze für US-Luftangriffe auf den IS.

Das „Wall Street Journal“ hatte kürzlich kritisiert, die Türkei sei zwar Nato-Mitglied, verhalte sich aber nicht wie ein Verbündeter der USA. Die „New York Times“ nannte die Türkei „eine der größten Quellen für Rekruten“ für den IS. Erdogan hatte die Vorwürfe als Teil einer Kampagne gegen die Türkei zurückgewiesen und auf die Sicherheit der 49 Geiseln verwiesen. Diese habe Priorität.

Unklar ist, ob die Türkei nun - wie von den USA erwünscht - engagierter gegen den IS vorgehen wird. Die regierungsnahe türkische Zeitung „Daily Sabah“ hatte kürzlich geschrieben, selbst wenn die Geiseln frei kämen, arbeiteten weitere 80 000 Türken im Irak. „Niemand kann garantieren, dass sie nicht zum Ziel vom IS werden.“

Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, die Befreiung sei das Ergebnis „tagelanger, wochenlanger harter Arbeit“. Er brach eine Auslandsreise ab und flog von Baku aus in die südtürkische Grenzstadt Sanliurfa. Dort nahm er die Geiseln in Empfang und flog mit ihnen weiter nach Ankara.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich „sehr erleichtert“ über die Befreiung der Geiseln. „Der Türkei gilt heute neben unserer Freude über die Geiselbefreiung vor allem auch unser Dank für die Bereitschaft, die großen Lasten im Zusammenhang mit den Flüchtlingsströmen aus Irak und Syrien zu schultern.“

Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus sagte am Samstag nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu, vor dem jüngsten IS-Vormarsch in Syrien seien bereits 45 000 Kurden in die Türkei geflohen. Am Freitag hatte die Türkei ihre Grenze geöffnet, nachdem sich dort aus Angst vor IS-Massakern Tausende Menschen versammelt hatten.

Die Terrormiliz hat in einer kurdischen Enklave in Nordsyrien in den vergangenen Tagen mehr als 60 Dörfer an der Grenze zur Türkei erobert. In der Türkei halten sich nach Regierungsangaben bereits zwischen 1,2 Millionen und 1,4 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf.