Syrische Truppen setzen Razzia im Nordwesten fort
Damaskus/Kairo (dpa) - Nach wie vor fliehen die Menschen aus dem Nordwesten Syriens vor den anrückenden Truppen von Präsident Assad. Mittlerweile sind 8500 Syrer in türkischen Flüchtlingslagern angekommen.
Nach Angaben der Opposition rücken Panzer weiter vor.
Syriens Machthaber Baschar al-Assad geht offensichtlich weiter mit Gewalt gegen das eigene Volk vor. Nach dem Sturm auf die Kleinstadt Dschisr al-Schogur setzten seine Truppen nach Angaben der Opposition ihre Offensive in der nordwestlichen Provinz Idlib fort. Dutzende Panzer seien auf die südlich gelegene Stadt Maarat al-Numan vorgerückt. Auch im Grenzgebiet zur Türkei habe es Militäroperationen gegeben.
Die Informationslage über den Konflikt in Syrien ist sehr schwierig. Es gibt kaum unabhängige Berichte.
In Dschisr al-Schogur hatten die Sicherheitskräfte ihren Einsatz bereits am Montag weitgehend abgeschlossen, berichteten Regimegegner. Hunderte Bürger seien bei Razzien verhaftet worden. Die Behörden präsentierten ein Massengrab, aus dem zwölf Leichen geborgen worden seien. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder von angeblich festgenommenen Terroristen, die vor laufender Kamera gestanden, die dort verscharrten Polizisten und Soldaten ermordet und verstümmelt zu haben.
Eine Verifizierung dieser Berichte war nicht möglich. Beobachter äußerten sich allerdings skeptisch, zumal Geständnisse in Syrien auch häufig mit Folter erpresst werden sollen.
Hintergrund der groß angelegten Militäraktion in der Provinz Idlib ist nach Aussagen von Oppositionellen eine Meuterei bei den Regierungstruppen. Aktivisten aus Dschisr al-Schogur berichteten, dass es dort vor zehn Tagen eine Schießerei unter Sicherheitskräften gegeben habe. Ein Teil der Opfer sei möglicherweise in dem nunmehr präsentierten Massengrab verscharrt worden. Die staatlichen Medien hatten hingegen berichtete, dass in dem Ort 120 Angehörige der Sicherheitskräfte von „bewaffneten Banden“ getötet worden seien.
Die Militäroffensive hat eine Flüchtlingswelle in die Türkei ausgelöst. Bis Dienstag kamen mehr als 8500 Syrer im Nachbarland an. Ankara sei aber bei der Bewältigung der Krise vorerst nicht auf ausländische Hilfe angewiesen, sagte ein Sprecher des Krisenzentrums der türkischen Regierung der Nachrichtenagentur dpa in Istanbul. Die Flüchtlinge werden in vier Zeltstädten des Türkischen Roten Halbmonds, einer Hilfsorganisation, im Grenzgebiet untergebracht.
Tausende Menschen harren aber nach wie vor auch auf der syrischen Seite der Grenze aus. Viele von ihnen befürchteten, dass sie, sind sie einmal in der Türkei, vom Regime in Damaskus als „Staatsfeinde“ betrachtet und nach ihrer Rückkehr getötet werden, erfuhr eine dpa-Reporterin im Grenzgebiet. Hinzu komme, dass die Türkei die Geflohenen als „Gäste“ und nicht als Flüchtlinge gemäß den UN-Konventionen einstufe. Ankara mache damit deutlich, dass es eine dauerhafte Anwesenheit der syrischen Vertriebenen auf seinem Boden verhindern wolle.
Wenn die Flüchtlinge die Staatsgrenze überquerten, würden sie von türkischen Grenzbeamten vor die Wahl gestellt, entweder nach Syrien zurückzukehren oder sich in einem der Flüchtlingslager auf türkischer Seite einzufinden, berichtete die dpa-Reporterin. Viele Vertriebene campierten deshalb auf syrischer Seite unter improvisierten Plastikplanen unter freiem Himmel und seien auch immer wieder schweren Regenfällen ausgesetzt.
Die US-Regierung forderte Assad und sein Regime erneut eindringlich zum Gewaltverzicht auf. Der Staatschef müsse einen Dialog mit der Opposition beginnen und den Übergang zu mehr politischer Freiheit anführen - oder zur Seite treten, sagte Jay Carney, der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, am Montag (Ortszeit) vor Journalisten in Washington. Er bekräftigte, dass die USA die Gewalt der Regierung gegen das eigene Volk „auf das Äußerste verurteilen“.