Tiefes Misstrauen trennt Russland und die Nato

Der Streit um die geplante Raketenabwehr spitzt sich zu. Moskau fühlt sich übergangen.

Brüssel. Sie saßen Schulter an Schulter am riesigen ovalen Verhandlungstisch im abhörsicheren Sitzungssaal der Nato-Zentrale. Und doch lagen Welten zwischen ihnen. Hier die Außenminister der 28 Bündnis-Staaten, dort der russische Außenminister Sergej Lawrow. Getrennt waren sie durch den Streit um die von der Nato geplante Raketenabwehr.

Moskau hat Angst vor dieser Abwehr und Gegenmaßnahmen — Raketenstationierungen bei Kaliningrad (früher Königsberg) — angekündigt, um die Nato von den Plänen abzubringen. „Es war nicht so schlimm wie erwartet“, sagte hinterher ein Diplomat. Lawrow sagte, Moskau wolle die Gespräche fortsetzen. Man redet miteinander — aber im Moment rasen zwei Züge aufeinander zu.

Vor allem „mangelndes Vertrauen“ sei der eigentliche Grund dafür, dass Russland und die Nato so völlig unterschiedlich ticken, sagten Diplomaten. Der anfängliche Alleingang des damaligen US-Präsidenten George W. Bush hat Spuren hinterlassen. „Es zeigt sich, dass die gesamte Debatte über ein Raketenabwehrsystem einen Geburtsfehler hat: Am Anfang ist Russland zu wenig einbezogen worden in die Gespräche“, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP).

Es gibt noch andere Punkte. Nach russischer Lesart — die von westlichen Beteiligten bestritten wird — hat die Nato 1990 versprochen, für den Verbleib des vereinten Deutschlands auf eine Erweiterung zu verzichten. Dieses Versprechen sei gebrochen worden, auf das Wort der Nato könne sich Moskau nicht verlassen.

Im Hintergrund geht es um Grundsätzliches: Russland sieht sich in Europa einer konventionellen Übermacht der Nato-Staaten gegenüber. Die rüsten ihre Soldaten moderner aus als die russische Armee. Deren Fahrzeuge, Panzer und Kanonen sind bestenfalls veraltet, schlimmstenfalls gar nicht einsatzfähig.

Die Unterlegenheit gleicht Russland durch eine deutliche Überlegenheit bei den Atomwaffen aus — die durch eine Raketenabwehr entwertet würde. Die Nato jedoch sieht dringenden Bedarf für die Abwehr: Sie sei nötig, weil der Iran und andere Staaten an Raketentechnologie arbeiteten.