Timoschenko beendet Hungerstreik - In Klinik verlegt
Kiew (dpa) - Bewegung in Charkow: Die in Haft erkrankte ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko hat nach der Verlegung in eine Klinik ihren dreiwöchigen Hungerstreik beendet.
Die geschwächte Oppositionsführerin werde nun mit Wasser und Säften behutsam an eine Nahrungsaufnahme gewöhnt, sagte der Neurologe Lutz Harms von der Berliner Klinik Charité am Mittwoch in Charkow rund 450 Kilometer östlich der Hauptstadt Kiew. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einem „Fortschritt“ in dem umstrittenen Fall. Timoschenko war am Morgen nach einem wochenlangen Nervenkrieg mit den Behörden aus dem Gefängnis ins Krankenhaus verlegt worden.
Die wegen angeblichen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilte Politikerin klagt seit Monaten über einen schweren Bandscheibenvorfall. Nach eigenen Angaben hatte sie seit dem 20. April aus Protest gegen ihre Behandlung durch die Führung der Ex-Sowjetrepublik keine Nahrung zu sich genommen. Wegen des Falls Timoschenko steht das Co-Gastgeberland der Fußball-Europameisterschaft international in scharfer Kritik.
In Polen, das die EM ab dem 8. Juni gemeinsam mit der Ukraine veranstaltet, appellierte Präsident Bronislaw Komorowski mit Nachdruck an Regierung und Opposition in Kiew, das Rechtssystem zu ändern. Ohne ein „anachronistisches Gesetz“, das im Widerspruch zu europäischen Rechtsstandards die Verurteilung für politische Entscheidungen“ ermögliche, wäre es niemals zu den Boykottdrohungen im Fall Timoschenko gekommen, betonte Komorowski.
Der Neurologe Harms sagte in Charkow, die Behandlung von Timoschenko werde etwa zwei Monate dauern. An diesem Donnerstag beginne er mit einer leichten Physiotherapie. Für Medikamente sei es zu früh. Harms stehe ab sofort an der Spitze eines Teams der Klinik und werde Timoschenko mit Medikamenten aus Berlin behandeln, sagte Vize-Gesundheitsministerin Raissa Moissejenko. Timoschenko teile sich im neunten Stock der Klinik drei Räume mit einer weiteren Patientin. „Wir werden Herrn Harms unterstützen, soweit seine Methoden unserem Verständnis entsprechen“, betonte Chefarzt Michail Afanassjew.
„Es ist wichtig, dass es ihr gut geht“, sagte Westerwelle beim „Europaforum“ des Westdeutschen Rundfunks in Brüssel. Der Blick müsse aber auch auf andere inhaftierte Ex-Regierungsmitglieder gerichtet werden.
Spezialisten der Charité hatten sich vergangene Woche mit Timoschenko auf eine Behandlung in Charkow verständigt. Das Angebot der Bundesregierung, die Führerin der prowestlichen Orangen Revolution von 2004 in Deutschland zu pflegen, lehnt Kiew ab. Nach internationalen Protesten gegen die Behandlung der 51-Jährigen hatte die Ukraine am Vortag ein Treffen im Schwarzmeerort Jalta abgesagt. Mindestens zehn europäische Staatschefs, darunter Bundespräsident Joachim Gauck, hatten eine Teilnahme an dem Gipfel verweigert.