Zeugen schildern das Massaker: „Ich habe Breivik jubeln sehen“
Die ersten Zeugen schildern vor dem Osloer Gericht die Hölle des Massakers.
Oslo. Still ist es im Osloer Gerichtssaal geblieben, als der ungeheuerliche Jubel des Massenmörders Breivik über den Tod seiner jugendlichen Opfer beschrieben wurde.
„Ich bin sicher, dass ich gehört habe, wie er nach Treffern in Jubel ausgebrochen ist“, sagte die 24-jährige Tonje Brenna am Mittwoch als erste Überlebende im Zeugenstand über das Massaker auf der kleinen Fjordinsel Utøya vor fast zehn Monaten.
Den norwegischen Attentäter beeindruckte das nicht. Er würde gerne direkt Fragen an die Zeugin zur Politik der sozialdemokratischen Jugendorganisation „Auf“ stellen, erklärte der sonst vor Gericht schweigende Breivik. Richterin Wenche Elizabeth Arntzen ließ aber keine Frage zu.
Der Prozess über das beispiellose Verbrechen des 33 Jahre alten Islamhassers und Rechtsradikalen ist damit in die für alle Überlebenden und Angehörigen wohl schwerste Phase eingetreten. Bis Ende Mai stehen die Aussagen der Überlebenden von Utøya im Zentrum. Fast durchweg Jugendliche und etliche von ihnen für immer physisch behindert und alle auch psychisch schwer gezeichnet.
Sie sollen im Beisein des Täters berichten, wie es war, als auf Utøya am 22. Juli letzten Jahres die Hölle losbrach, Freunde oder Freundinnen neben ihnen starben und sie selbst nicht wussten, wie sie auf der kleinen Insel dem Attentäter entkommen sollten.
„Wir dachten, dass es Polizisten waren, die uns da töteten“, sagte Brenna nach den Mitschriften norwegischer Medien. Die Generalsekretärin der sozialdemokratischen Jugendorganisation „Auf“ bekam vielleicht nicht zufällig als erste Überlebende das Wort. Sie gehörte zu den älteren, erfahrenen Organisatoren des jährlichen Sommerlagers auf Utøya und fühlte sich verantwortlich für die mehr als 500 Jugendlichen auf der Insel.
Sie berichtete, wie sie — versteckt unterhalb des „Liebespfades“ mit 40 bis 50 anderen Lagerteilnehmern — die Hand eines Schwerverletzten hielt. Vor allem, um zu sehen, ob er noch lebte. „Ich entschied mich, nicht wegzuschwimmen“, sagte Brenna und begründete das mit ihrem Verantwortungsgefühl für die Jüngeren.
„Trauer und Schmerz liegen wie eine feuchtkalte Hand um das Herz“, sagt die junge Norwegerin vor Gericht. Wie schwer dieser Prozess für alle Beteiligten auszuhalten ist, zeigte die kurzfristige Umstellung des Programmes mit vorgezogenen Zeugenaussagen zu Utøya.
Auch die Staatsanwaltschaft meinte, dass die Verlesung der Obduktionsberichte über alle 69 Todesopfer an einem Tag zu viel sei. In den vergangenen Tagen hatten dabei auch die Gerichtsvorsitzende und die Staatsanwältin weinen müssen.