Trauer und Wut nach Moskauer Terroranschlag
Moskau (dpa) - Nach dem Terror-Blutbad in Moskau lehnt die russische Führung Verhandlungen mit den Islamisten im Nordkaukasus ab. Zudem will sie das Sicherheitssystem im Personenverkehr umkrempeln, um neue Anschläge zu verhindern.
Das Land ist weiter in Trauer.
Mitten in der Trauer um die Opfer des Selbstmordanschlags am Moskauer Flughafen Domodedowo hat die Führung des Landes eine neue Sicherheitspolitik angekündigt. Die Regierung habe zwei Wochen Zeit, um im öffentlichen Verkehr Schritte für einen besseren Schutz vor Terroristen zu erarbeiten. Das ordnete Kremlchef Dmitri Medwedew nach Angaben der Agentur Interfax am Mittwoch bei einem Treffen mit Innenminister Raschid Nurgalijew an. Regierungschef Wladimir Putin lehnte Verhandlungen mit den aus dem Konfliktgebiet Nordkaukasus stammenden Terroristen ab.
Zwei Tage nach dem Tod von insgesamt 36 Menschen in der Ankunftshalle des Flughafens Domodedowo gedachte die russische Hauptstadt an einem „Tag der Trauer“ der Opfer des Anschlags. Auch Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau legten an dem Anschlagsort Blumen nieder. Unter den Toten ist auch ein Deutscher. Auf dem Airport hatte sich am Montag ein Mann mit einem Bombengürtel in die Luft gesprengt. Die Behörden sprachen am Mittwoch erstmals von 36 Todesopfern, weil bisher der Attentäter nicht mitgezählt worden war.
Nach seiner scharfen Kritik an den laxen Sicherheitsvorkehrungen auf dem Flughafen feuerte Medwedew per Dekret einen leitenden Mitarbeiter der Transportüberwachung im Innenministerium. Russland brauche insgesamt einen wirksameren Schutz der Passagiere im öffentlichen Verkehr, erklärte Medwedew nach Angaben der Agentur Interfax am Mittwoch.
„Die Zahl der Sicherheitsverstöße nimmt zu, praktisch überall“, räumte Medwedew ein. Betroffen seien nicht nur Flughäfen, sondern auch der Schienen- und Busverkehr. Neben dem Generalmajor im Innenministerium wurden auch andere Funktionäre entlassen, wie Minister Nurgalijew sagte.
In Moskau wehten am Mittwoch Fahnen am Kreml sowie an offiziellen Gebäuden auf Halbmast. Radio und Fernsehen verzichteten auf Unterhaltungssendungen und spielten Trauermusik. Die orthodoxe Kirche, Moscheen und Synagogen organisierten Gottesdienste. Die Behörden sagten Festveranstaltungen ab, darunter eine Miss-Wahl. Weiterhin lagen 117 Menschen in Krankenhäusern. 21 Verletzte seien noch immer in einem kritischen Zustand, hieß es.
Nach Angaben des Zivilschutzministeriums wurden alle Opfer identifiziert. Zu dem Attentäter gab es allerdings weiter keine Angaben. Medien veröffentlichten Bilder vom Kopf des mutmaßlichen Terroristen. Demnach könnte der Selbstmordattentäter einer islamistischen Untergrundgruppe angehören, die im südrussischen Gebiet Stawropol aktiv ist. Die mehrheitlich von orthodoxen Christen bewohnte Region liegt unweit der Konfliktregion Nordkaukasus.
Regierungschef Putin sagte, dass bislang nichts auf eine tschetschenische Verbindung hindeute. Zugleich lehnte er Verhandlungen mit Terroristen ab. Es sei eine Frage der Selbstachtung eines Landes und „internationale Praxis“, sich auf solche Gespräche nicht einzulassen, sagte er. „Versuche solcher Verhandlungen mit Extremisten und Terroristen Anfang der 1990er Jahre führten uns in den ersten und zweiten Tschetschenien-Krieg.“
Putin hatte am Vortag mit Rache gedroht für den jüngsten Anschlag. Jedes Zugehen auf die Extremisten erzeuge neue Aggression und in der Folge noch höhere Opferzahlen. Ermittler vermuten die Herkunft der Täter demnach in anderen Regionen des Konfliktgebiets Nordkaukasus, etwa in der Teilrepublik Dagestan.
In der bergigen Vielvölkerregion kämpfen unterschiedliche radikale Islamistengruppierungen für ein von Moskau unabhängiges Kaukasus-Emirat. Erschwert wird die Lage durch korrupte Strukturen innerhalb der kremltreuen Sicherheitskräfte sowie durch kriminelle Banden und einflussreiche Familienclans. Die Führung in Moskau sucht seit Jahren vergeblich einen Weg, in die von großer Arbeitslosigkeit und Armut geprägte Region Ruhe zu bringen.