Rede zur Lage der Nation Trump: Guantanamo offen halten und Atomwaffen modernisieren
Washington (dpa) - US-Präsident Donald Trump hat in seiner ersten Rede zur Lage der Nation die Bürger zur Versöhnung aufgerufen, gleichzeitig will er aber an seinen umstrittenen politischen Projekten festhalten.
Trump forderte die Amerikaner - laut Umfragen ein vielfach gespaltenes Volk - zur Einheit und zum Zusammenhalt auf. „Das ist unser neuer amerikanischer Augenblick“, sagte der 71-Jährige vor allem mit Blick auf positive Zahlen aus der Wirtschaft. Er sprach sich jedoch auch für die Weiterführung des national und international höchst umstrittenen Gefangenlagers Guantánamo aus und pochte auf den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko.
Im Inneren forderte er Härte im Kampf gegen Drogen und Straßenkriminalität. Beim besonders strittigen Thema Einwanderung zeigte er sich zu Kompromissen bereit. In der Außenpolitik adressierte Trump insbesondere die Konflikte mit dem Iran und Nordkorea. Zugleich forderte der Präsident, das Atomwaffenarsenal zu modernisieren. Dafür bekam er Applaus aus dem Lager seiner Unterstützer, aber auch aus den Reihen der klassischen politischen Rechten in den USA.
Trump ging es in seiner Rede vor allem darum, seinen Landsleuten Mut zu machen und sie zur Einheit aufzurufen. „Die Lage der Nation ist stark, weil das Volk stark ist“, sagte der Präsident. Kritiker sahen das ganz anders. Joseph Kennedy (37), Enkel des einstigen Senators Robert Kennedy und Großneffe des ermordeten Präsidenten John F. Kennedy, sagte, Trumps Präsidentschaft richte sich gegen fast alles, was Amerika ausmache und sei ein Angriff auf die amerikanischen Werte: „Auf den Glauben daran, dass wir alle etwas wert sind, dass wir alle gleich sind und wir alle zählen“, betonte der 37-jährige Kongressabgeordnete aus Massachusetts.
Die in den USA heiß diskutierte Russland-Affäre oder das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada erwähnte Trump in seiner 80-minütigen Ansprache am Dienstagabend (Ortszeit) im Kapitol mit keiner Silbe.
Entgegen einer Anordnung seines Vorgängers Barack Obama will Trump das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba offenhalten. Das Lager war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unter dem damaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush errichtet worden, um mutmaßliche islamistische Terroristen festzuhalten. Derzeit hat es noch 41 Insassen. 26 von ihnen wurden nie angeklagt.
Die US-Regierung will sie aber nicht gehen lassen, weil sie die Männer für zu gefährlich hält. Die Beweise reichen aber nicht aus für eine Anklage oder wurden durch von vielen als Folter angesehene Verhörmethoden erlangt und sind damit nicht gerichtsverwertbar.
Er habe einen entsprechenden Erlass unterzeichnet, sagte Trump. Terroristen seien nicht bloß Kriminelle, sie seien feindliche Kämpfer. „Und wenn sie im Ausland gefangen genommen werden, sollten wir sie wie die Terroristen behandeln, die sie sind“, sagte Trump. In dem Erlass heißt es, dass die USA zusätzliche Häftlinge nach Guantánamo verlegen könnten, „wenn dies rechtmäßig und notwendig zum Schutz der Nation ist“. Der Widerstand dürfte groß sein, rechtlich wären neue Inhaftierungen anfechtbar. Seit März 2008 hat es in Guantánamo keinen Neuzugang mehr gegeben.
Auf neue Drohungen gegen die Führung Nordkoreas verzichtete der US-Präsident. Stattdessen ließ er einen Flüchtling aus Nordkorea im Saal mit tosendem Applaus feiern, als dieser seine Krücken in die Luft hielt. Trump forderte den Kongress zudem auf, mehr Geld für das Militär auszugeben. Das US-Atomwaffenarsenal müsse modernisiert und so gestärkt werden, „dass es jeden Akt der Aggression abschrecken wird“.
Beim internationalen Handel werde er keine Regelverletzungen dulden, sagte Trump. „Wir werden die amerikanischen Arbeiter und geistiges Eigentum der Amerikaner schützen, indem wir unsere Gesetze mit Stärke durchsetzen“, sagte der Präsident vor allem in Richtung China.
Die chinesische Außenamtssprecherin Hua Chunying rief die USA indessen zur Zusammenarbeit auf. „Die gemeinsamen Interessen beider Länder überwiegen bei weitem ihre Unterschiede“, sagte die Sprecherin am Mittwoch in Peking. „Wir hoffen, dass die Vereinigten Staaten die veralteten Ideen des Kalten Krieges und der Nullsummenspiele aufgeben werden.“
Bis zu 1,8 Millionen illegal ins Land gekommenen jungen Einwanderern will Trump eine Einbürgerung ermöglichen. Migranten, die bestimmte Anforderungen erfüllten und einen „guten moralischen Charakter“ hätten, sollten die Möglichkeit haben, die US-Staatsbürgerschaft zu erlangen, sagte Trump. Im Gegenzug wolle er Geld für den geplanten Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko.
Trump betonte, es sei nicht genug, nur in Zeiten der Krise zusammenzustehen. „Heute Abend rufe ich alle von uns auf, unsere Differenzen beiseite zu legen, nach Gemeinsamkeiten zu suchen, und die Einigkeit zu erzielen, die wir brauchen, um den Menschen, die uns gewählt haben, zu dienen“, sagte der US-Präsident.
Einige Abgeordnete der oppositionellen Demokraten waren dennoch aus Protest gegen Trumps Politik und gegen sein Auftreten der Rede ferngeblieben. Andere trugen demonstrativ Schwarz. „First Lady“ Melania Trump, von medial verbreiteten Gerüchten einer Ehekrise mit dem Präsidenten geplagt, erschien in strahlendem Weiß im Blitzlichtgewitter der Fotografen.