Türkei lässt deutsche Abgeordnete nun doch zur Bundeswehr

Berlin/Ankara (dpa) - Deutschland und die Türkei haben ihren wochenlangen Streit um den Besuch von Bundestagsabgeordneten auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik bei der Bundeswehr beigelegt.

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Das türkische Außenministerium gab dem Verteidigungsausschuss des Bundestags am Donnerstag grünes Licht. Damit kann der Besuch in der Nato-Basis Incirlik nun - wie zuletzt geplant - Anfang Oktober stattfinden.

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Der Konflikt hatte die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara massiv belastet. Viele andere Streitpunkte sind aber immer noch nicht ausgeräumt. Die Bundesregierung hofft nun darauf, dass sich das Verhältnis zu dem wichtigen Partnerland insgesamt wieder bessert. Auf die Türkei ist Deutschland auch bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise angewiesen.

Die Türkei hatte den Besuch über Wochen hinweg blockiert. Grund dafür war die Verärgerung über eine Armenien-Resolution des Bundestags Anfang Juni. Darin hatte das Parlament die Massaker an den Armeniern 1915/16 erstmals als „Völkermord“ bezeichnet. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reichs wehrt sich massiv gegen alle solche Einstufungen.

Nachdem die Bundesregierung die Resolution als rechtlich nicht verbindlich erklärte, hob die türkische Seite das Besuchsverbot nun jedoch auf. In einem Schreiben des Außenministeriums, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: „Dem Besuch der Mitglieder des Verteidigungsausschusses des BT (Bundestags) in der Türkei am 4.-6. Oktober 2016 und dem gleichzeitigen Besuch des Luftwaffenstützpunktes Incirlik wird grundsätzlich zugestimmt.“

Auf der Basis im Osten des Landes - nur etwa hundert Kilometer entfernt von der Grenze zu Syrien - sind aktuell rund 250 deutsche Soldaten stationiert. Sie unterstützen die Luftangriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit Aufklärungsflügen und Luftbetankung.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu begründete die Aufhebung des Verbots damit, dass die Bundesregierung türkische Bedingungen erfüllt habe. In ihrer Erklärung zur Völkermord-Resolution habe sie hervorgehoben, „warum diese Entscheidung in der Umsetzung keine Verbindlichkeit hat“. Wörtlich sagte Cavusoglu: „Sie haben verstanden, dass sie die Türkei nicht behandeln können, wie sie wollen.“

In Berlin wurde die Besuchserlaubnis mit Erleichterung aufgenommen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte: „ Mit dieser Entscheidung der türkischen Regierung sind wir ein Stück weiter.“ Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erklärte: „Es ist ein gutes Zeichen, dass die zuständigen Abgeordneten des Bundestages planmäßig zur Truppe reisen können.“

Der Leiter der Abgeordnetendelegation, Karl Lamers (CDU), begrüßte die Entscheidung ebenfalls. Mit Lamers - dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses - werden vermutlich vier weitere Parlamentarier nach Incirlik reisen. Die Linke lässt allerdings noch offen, ob sie dabei sein wird. Ihr Obmann im Ausschuss, Alexander Neu, sagte: „Wir müssen das noch besprechen, wegen der Bedingungen, unter denen die türkische Zusage erkauft worden ist.“

Aus Sicht der Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger hat sich die Bundesregierung blamiert. „Es ist für mich völlig unverständlich und blamabel, dass die Bundesregierung sich bezüglich der Armenien-Resolution nicht ohne Wenn und Aber hinter das Parlament gestellt hat“, sagte Brugger der dpa. Sie ließ offen, ob die Grünen einer Verlängerung des Incirlik-Einsatzes zustimmen werden. Bisher verlaufe er „völlig plan- und strategielos“.

In den Streit war Ende vergangener Woche Bewegung gekommen, indem die Bundesregierung erklärte, die Resolution des Bundestags sei für sie rechtlich nicht bindend. Am Wochenende gab es dann auch ein Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Präsident Recep Tayyip Erdogan. Zudem gab von der Leyen bekannt, die Bundeswehr werde mehr als 50 Millionen Euro zusätzlich in Incirlik investieren.

Die Bundeswehr ist eine „Parlamentsarmee“. Jeder Auslandseinsatz muss vom Bundestag beschlossen werden. In kaum einem anderen Land hat das Parlament so viel Mitbestimmungsrechte in militärischen Fragen wie in Deutschland. Verteidigungspolitiker verschiedener Parteien hatten einen Abzug der Soldaten gefordert, falls Ankara an dem Verbot festhalten sollte. Das deutsche Verteidigungsministerium hatte für diesen Fall andere Standorte wie Jordanien oder Zypern geprüft.