Über 40 Tote bei Anschlag in Damaskus
Damaskus/Istanbul (dpa) - Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte erstmals eingeräumt, dass der Bürgerkrieg das ganze Land erfasst hat.
Während eines Treffens mit Angehörigen getöteter Schulkinder in Damaskus sagte Assad: „Ganz Syrien ist heute verletzt.“ Am Abend starben bei einem Bombenanschlag in Damaskus mindestens 42 Menschen, unter ihnen ein dem Regime nahestehender sunnitischer Kleriker.
Entgegen ersten Angaben, in denen von einer Autobombe vor der Moschee berichtet wurde, hatte ein Selbstmordattentäter in der Imam-Moschee im Stadtteil Al-Masra seinen Sprengstoffgürtel gezündet. Mindestens 42 Menschen kamen dabei ums Leben, 84 Menschen wurden teilweise schwer verletzt, wie die Staatsagentur Sana berichtete. Unter den Toten war der prominente sunnitische Kleriker Scheich Mohammed Saeed al-Buti. Dieser hatte in der Vergangenheit Demonstranten und Gegner des Regimes von Präsident Assad scharf kritisiert und als „Abschaum“ beschimpft.
Assad setzte bei der UN die Untersuchung von Vorwürfen durch, dass auch Giftgas bei den Kämpfen eingesetzt werde. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon teilte am Donnerstag in New York mit, er sei verpflichtet, der syrischen Anfrage nachzugehen. Er habe die Vorbereitung der Ermittlungen mit der Organisation gegen den Einsatz chemischer Waffen (OPCW) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angestoßen.
Regierung und Rebellen hatten sich gegenseitig vorgeworfen, Granaten mit chemischen Kampfstoffen eingesetzt zu haben. Die USA hatten den Einsatz von Giftgas als „rote Linie“ bezeichnet. Auch Frankreich und Großbritannien waren für eine UN-Untersuchung der Vorwürfe, Russland war dagegen.
Assad hatte am Mittwoch zu den Hinterbliebenen der Schulkinder gesprochen. Die Videoaufnahme davon wurde erst am Donnerstag von der staatlichen Nachrichtenagentur Sana veröffentlicht. „Es gibt im ganzen Land niemanden, der nicht einen Verwandten verloren hat, einen Bruder, den Vater oder die Mutter“, sagte Assad. „Aber nichts ist so schlimm wie der Verlust eines Sohnes. Dennoch darf das, was uns widerfährt, uns nicht schwächen.“
Aufgrund der zunehmend gefährlichen Lage meidet die russische Marine inzwischen ihren Stützpunkt in der syrischen Hafenstadt Tartus. Die im Mittelmeer kreuzenden Kriegsschiffe würden stattdessen in der libanesischen Hauptstadt Beirut ihre Vorräte auffüllen, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Militärkreise.
Die syrischen Rebellen konnten nach eigenen Angaben einen weiteren Militärstützpunkt einnehmen. Das von Regimegegnern gegründete Nachrichtennetzwerk Scham meldete, die Freie Syrische Armee habe den Standort einer Artilleriebrigade westlich der Stadt Nawa erobert. Die Kämpfer hätten Waffen erbeutet und mehrere Soldaten gefangen genommen.
Die Opposition diskutierte weiter über ihre Interimsregierung. Rima Fleihan, ein Mitglied der Nationalen Syrischen Koalition, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Bis jetzt sind die Befugnisse der Regierung und ihr Programm noch nicht im Detail geklärt.“
Die Koalition hatte am Montag Ghassan Hitto in Istanbul zum Übergangsregierungschef gewählt. Da seine Regierung aber noch nicht steht, soll der Vorsitzende der Koalition, Muas al-Chatib, die Opposition beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Katar kommende Woche vertreten. Das teilte der Oppositionelle Haitham al-Maleh mit.
Am Mittwoch sollen in Syrien etwa 200 Menschen getötet worden sein. Am Donnerstag zählten die Rebellen zunächst 64 Tote.