Ukrainische Nationalisten stürzen Lenin-Denkmal - Großdemo in Kiew
Kiew (dpa) - Eine Stimmung wie zum Ende der Sowjetunion: Mit Massenprotesten erhöht die ukrainische Opposition den Druck auf die Regierung. Nun will die EU in Kiew eine Vermittlungsmission starten.
Aus Protest gegen den prorussischen Kurs der Regierung haben Demonstranten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew die zentrale Lenin-Statue gestürzt. Am Rande der Massendemonstrationen hätten maskierte Täter ein Stahlseil um das Revolutions-Denkmal gezogen und die Figur umgekippt, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Die Europäische Union kündigte erstmals eine Vermittlungsmission in der Hauptstadt der früheren Sowjetrepublik an.
Bei einem der größten Massenproteste seit Jahren forderten die Regierungsgegner um Boxweltmeister Vitali Klitschko Neuwahlen in der Ukraine. Im Stadtzentrum versammelten sich am Sonntag nach Angaben der Opposition eine halbe Million Menschen. Beobachter sprachen von etwa 300 000 Menschen. Die Lenin-Statue stand etwa einen Kilometer vom Unabhängigkeitsplatz entfernt. Ukrainische Nationalisten stören sich seit langem an der Gedenkstätte für den sowjetischen Revolutionsführer. Bereits 2009 war die Statue von Unbekannten demoliert worden.
Die EU-Kommission kündigte am Sonntag an, dass die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Kürze zu Gesprächen nach Kiew reisen werde. Sie wolle dort helfen, nach einem Weg aus der politischen Krise zu suchen, hieß es in Brüssel.
Bei eisigen Temperaturen auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan), der 2004 das Zentrum der prowestlichen Orangenen Revolution war, schwenkten die Demonstranten auch EU-Fahnen und sangen die ukrainische Hymne. Die Opposition protestiert bereits seit 17 Tagen gegen die prorussische Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch.
„Ich bin überzeugt, dass wir die Regierung mit friedlichen Mitteln stürzen können“, sagte Oppositionsführer Klitschko beim sogenannten Marsch der Million. Auch im westukrainischen Lwiw (Lemberg) und in Timoschenkos Geburtsstadt Dnjepropetrowsk gingen Tausende auf die Straße.
Die inhaftierte frühere Regierungschefin Julia Timoschenko warnte die Opposition vor Kompromissen mit der Führung des Landes. „Gebt nicht auf, und setzt Euch nicht mit denen an einen Tisch“, forderte die 53-Jährige in einer Erklärung, die ihre Tochter Jewgenija Timoschenko bei der Kundgebung verlas. Ein Dialog mit der Führung sei nur möglich, wenn Janukowitsch sofortigen Neuwahlen zustimme.
„Janukowitsch hat seine Legitimität in dem Moment verloren, als er das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterschrieb“, betonte Julia Timoschenko, die eine umstrittene siebenjährige Haft absitzt.
Mit der Kundgebung wollen die Regierungsgegner neuen Druck auf die Führung ausüben. Janukowitsch hatte ein Abkommen über eine engere Zusammenarbeit mit der EU gestoppt und zuletzt mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin über billigere Gaslieferungen verhandelt.
Klitschko hatte die Regierungsgegner zu einer regen Teilnahme aufgerufen. „Mehr als eine Million Menschen müssen Präsident Viktor Janukowitsch klarmachen, dass er unsere Bedingungen erfüllen muss“, sagte der 42-Jährige. Dazu gehöre auch Timoschenkos Freilassung. „Wer nicht in einem Polizeistaat leben will, sondern in einem modernen Land, sollte nicht gleichgültig bleiben“, betonte Klitschko.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Gruppe der konservativen Parteien in der EU (EVP) wollen Klitschko dem Magazin „Der Spiegel“ zufolge durch gemeinsame Auftritte stärken. Geplant sei, den Boxer zum Oppositionsführer und Gegenkandidaten von Janukowitsch aufbauen. Dem Bericht zufolge ist geplant, dass Klitschko beim nächsten Treffen der EVP-Staats- und Regierungschefs in Brüssel Mitte Dezember auftritt.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte Staatschef Janukowitsch zum friedlichen Dialog mit der Opposition in seinem Land auf. Er sei sehr besorgt über die Situation in der Ukraine, teilte Ban Janukowitsch am Sonntag per Telefon mit, wie aus einer Mitteilung der Vereinten Nationen hervorgeht. Janukowitsch habe ihm versichert, dass Beratungen initiiert würden, wie die Situation zu entschärfen sei, teilte Ban mit.