Ungarn stimmen im Oktober über EU-Flüchtlingsquoten ab
Budapest/Brüssel (dpa) - Ungarns rechtspopulistische Regierung erhöht mit einem Referendum gegen die EU-Flüchtlingspolitik den Druck auf Brüssel. Die Bürger dort sollen am 2. Oktober über die von der Europäischen Union geplante Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten abstimmen.
Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban hat gegen diese Quoten schon Klage eingereicht. Staatspräsident Janos Ader legte am Dienstag das Datum für die seit Monaten geplante Volksbefragung fest. Die EU-Kommission reagierte besorgt auf die Entscheidung, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich dagegen gelassen.
Bei der Volksabstimmung sollen die Ungarn auf die Frage antworten: „Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des (ungarischen) Parlaments die Ansiedlung nichtungarischer Staatsbürger in Ungarn vorschreibt?“ Bereits seit Monaten wirbt die Regierung für ein Nein-Votum beim Referendum. „Lasst uns ein Signal an Brüssel senden, damit sogar sie es verstehen“, steht auf Plakaten. Der Erfolg des Referendums gilt als sicher, weil auch politische Gegner Orbans dessen harte Flüchtlingspolitik gutheißen.
Im vergangenen Jahr hatte der EU-Ministerrat gegen die Stimmen von Ungarn, der Slowakei, Tschechiens und Rumäniens beschlossen, bis zu 160 000 Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Italien und Griechenland innerhalb der EU zu verteilen. Ungarn soll davon gut 2300 aufnehmen. Gegen die Quotenregelung haben die Slowakei und Ungarn im Dezember auch Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht.
Volksabstimmungen über vorhandene und rechtlich bindende Ratsbeschlüsse erfüllen die EU-Kommission nach eigenen Angaben mit Sorge. Sie änderten aber nichts an den Beschlussverfahren, wie sie der EU-Vertrag vorsehe. „Nach unserem Verständnis richtet sich das ungarische Referendum auf künftig zu treffende Entscheidungen“, erklärte ein Behördensprecher in Brüssel. So gesehen würde ein negatives Votum der Ungarn ins Leere laufen.
Bundeskanzlerin Merkel erwartet, dass die Fragestellung des ungarischen Referendums „eine Antwort auf die jetzt schon herrschende Regierungspolitik“ ergeben wird. „Insofern erwarte ich mir von dem Referendum keine Veränderung der augenblicklichen Situation“, sagte Merkel in Berlin.
Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt meinte, vermutlich werde das Votum nicht zu mehr Solidarität in der europäischen Flüchtlingspolitik führen. Wenn es um die Bewältigung der Migration gehe, sei viel Diplomatie nötig, um die EU-Staaten zusammenzuhalten. „Das ist verdammt schwierig“, sagte sie.
Unterdessen führte Ungarn eine neue Prozedur zur zügigen Abschiebung von Flüchtlingen ohne Verfahren ein. Seit Dienstag darf die Grenzpolizei illegal eingereiste Flüchtlinge, die in bis zu acht Kilometern Entfernung von den Grenzen zu Serbien und Kroatien auf ungarischem Territorium aufgegriffen werden, sofort wieder hinter den Grenzzaun bringen.
Dort würde ihnen der Weg zu „Transitzentren“ gezeigt, wo sie Asylanträge stellen dürften, erklärte Orbans Sicherheitsberater György Bakondi. Bisher galt, dass alle illegal Eingereisten in Ungarn wegen Grenzverletzung vor Gericht gestellt werden.
Ungarn betreibt seit dem vergangenen Sommer eine strenge Abschottung gegen Flüchtlinge. 2015 waren rund 391 000 Flüchtlinge auf der sogenannten Balkanroute nach Ungarn gekommen - die meisten davon in der Absicht, nach Westeuropa weiterzureisen. Diese Zahl ging in diesem Jahr drastisch zurück, Ende Juni waren es rund 17 300.