Union weist Rücktrittsforderung an BND-Chef Schindler zurück

Berlin (dpa) - Nach den jüngsten Spionage-Enthüllungen haben Unionspolitiker Rücktrittforderungen gegen BND-Präsident Gerhard Schindler vorerst zurückgewiesen. Auch Grünen-Vertreter wollten sich einer entsprechenden Forderung der Linkspartei zunächst nicht anschließen.

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Sie nahmen das Kanzleramt ins Visier und stellten infrage, ob es seine Aufsichtspflicht gegenüber dem Bundesnachrichtendienst ausreichend wahrgenommen habe. Auch die SPD, Regierungspartner der Union, erhob schwere Vorwürfe gegen das Kanzleramt und den Auslandsnachrichtendienst selbst.

Die Bundesregierung wollte sich nicht zur Zukunft Schindlers äußern. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte lediglich, die Bundesregierung stehe weiterhin zur engen Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten in der Terrorismusbekämpfung. „Deutschland und die USA sind Freunde und Partner.“

Am Donnerstag war bekanntgeworden, dass der BND für die NSA gezielt die Kommunikation europäischer Unternehmen und Politiker ausgehorcht haben soll. Betroffen sein sollen etwa der Rüstungskonzern EADS, der Hubschrauberhersteller Eurocopter oder französische Behörden. Bei diesen Firmen geht es um Vorgänge, die schon etwa zehn Jahre zurückliegen.

Dem deutschen Auslandsgeheimdienst war demnach in den vergangenen Jahren stückweise klar geworden, dass von den Amerikanern gelieferte Suchkriterien (Selektoren) für den von ihm abgehörten Datenverkehr - etwa Namen, Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern - deutschen und europäischen Interessen widersprechen.

Bei den Vorwürfen geht es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur um die BND-Abhörstation im bayerischen Bad Aibling. Dort wird der Satelliten-Nachrichtenverkehr in ausländischen Krisengebieten wie Afghanistan, Mali oder Somalia abgehört.

Nach einer Vereinbarung aus dem Jahr 2002, die die Modalitäten der damaligen Übergabe der Anlage von den USA an die Deutschen regelt, haben die Amerikaner das Recht, Suchkriterien zu liefern, mit denen der BND für die US-Dienste nach verdächtigen Signalen sucht. Vor der computergestützten Spionage soll ein automatisches Verfahren verhindern, dass Rechte deutscher Staatsbürger oder europäische Interessen verletzt werden. Insgesamt wurden so über die Jahre etwa 40 000 von den Amerikanern gelieferte Suchkriterien (Selektoren) aussortiert.

Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), sagte „Spiegel Online“: „Ich warne davor, dass man vorschnell den Stab über BND-Chef Schindler bricht. Die Verantwortung muss nicht zwingend bei der Amtsleitung liegen.“ Er nahm den BND auch gegen den Verdacht in Schutz, mit der NSA bewusst deutsches Recht gebrochen zu haben. Falls sich herausstelle, dass die USA inakzeptable sensible Daten angefordert hätten, „hätte die NSA den BND missbraucht“.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kritisierte in der „Berliner Zeitung“ (Wochenendausgabe), dem Kanzleramt scheine die Aufsicht über den BND entglitten zu sein. „Ich schließe personelle Konsequenzen ausdrücklich nicht aus.“ SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte „Spiegel Online“: „Im BND scheint es Bereiche zu geben, in denen sich ein von Vorschriften und Rechtslage ungestörtes Eigenleben entwickelt hat.“ Er sei „entsetzt über das Ausmaß der Desorganisation“.

Der Chef des Parlamentsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, André Hahn (Linkspartei), pochte im Bayerischen Rundfunk auf personelle Konsequenzen. Hans-Christian Ströbele, Grünen-Mitglied in dem Gremium, sagte dem Fernsehsender n-tv, er schließe sich den Rücktrittsforderungen gegen Schindler derzeit nicht an. „Ich bin dagegen, dass man jetzt so eine Art Bauernopfer bringt.“ Es gehe vielmehr um die Aufsicht des Kanzleramts.