USA: Nordkorea kommt „gefährlicher Linie“ nahe
Seoul (dpa) - Die Nordkorea-Krise geht weiter. Plant Pjöngjang den Start mehrerer Raketen? Washington warnt eindringlich davor. Guido Westerwelle und die G8-Staaten verurteilen die „inakzeptable Kriegsrhetorik“.
Im Nervenkrieg um Nordkoreas Kriegsdrohungen ziehen der Westen und Moskau an einem Strang. Die sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten und Russland (G8) wollen gemeinsam den Druck auf Nordkorea erhöhen, um das stalinistische Regime von seinem Eskalationskurs abzubringen. Gleichzeitig warnen die USA Nordkorea vor weiteren Maßnahmen wie dem Start ballistischer Raketen.
Pjöngjang bewege sich „sehr nahe an einer gefährlichen Linie“, sagte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel am Mittwoch (Ortszeit) in Washington. Nach Einschätzung des südkoreanischen Militärs bereitete sich Nordkorea auf das Abfeuern mehrerer Raketen vor, darunter eine oder zwei Mittelstreckenraketen. „Ihre Taten und ihre Worte haben nicht geholfen, eine entflammbare Situation zu entschärfen“, sagte Hagel. Die USA seien vorbereitet, auf jede Eventualität zu reagieren.
Die Außenminister Russlands, der USA, Kanadas, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Japans und Deutschlands (G8) wandten sich in London gegen Kriegstreiberei in Korea. „Ausschlaggebend ist, dass aus der Rhetorik kein heißer Krieg wird“, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Donnerstag. „Das ist nicht nur eine Gefährdung für die koreanische Halbinsel und für die Nachbarländer, sondern es ist auch eine Gefährdung der Stabilität, der Sicherheitsarchitektur global.“
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte am Rande des Londoner Treffens am Mittwoch mit seinem US-Kollegen John Kerry gesprochen. „Es gibt keine Meinungsverschiedenheiten mit den USA über Nordkorea“, sagte Lawrow anschließend nach Angaben aus der US-Delegation. An diesem Freitag wird Kerry in Seoul zu Gesprächen über den Konflikt mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Yun Byung Se erwartet.
Südkorea rief seinen nördlichen Nachbarn trotz der jüngsten Kriegsdrohungen am Donnerstag zu Gesprächen über die Zukunft des gemeinsamen Industrieparks in Nordkorea auf. Die Produktion dort steht seit Dienstag still. „Pjöngjang sollte sofort zum Verhandlungstisch kommen“, sagte Vereinigungsminister Ryoo Kihl Jae in Seoul. Nordkorea hatte zuvor alle rund 53 000 Nordkoreaner abgezogen, die dort zuletzt für 123 Unternehmen aus Südkorea gearbeitet hatten. Auch droht Nordkorea mit der kompletten Schließung des Komplexes.
Südkorea, die USA und Japan brachten Zerstörer, Radar- und Raketenabwehrsysteme in Stellung, um anfliegende Raketen abzufangen, falls sie eine Gefahr für die Länder darstellen. Die Raketenabwehrsysteme Patriot seien in der Lage, jede nordkoreanische Rakete in Schussweite abzufangen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul.
In Südkorea wird erwartet, dass Nordkorea eine oder zwei Musudan-Raketen mit Reichweiten von schätzungsweise 3000 bis 4000 Kilometern testen will, um im Konflikt um sein Atomprogramm Stärke zu demonstrieren. Südkoreas Außenminister Yun Byung Se hatte am Mittwoch gesagt, Nordkorea könne eine Musudan jederzeit starten. Die Rakete gilt als unerprobt.
Nordkoreas Streitkräfte bewegten entlang der Ostküste mehrere mobile Startrampen, berichteten südkoreanische Medien unter Berufung auf Militärkreise. Es könnten auch Scud-Raketen mit Reichweiten von 300 bis 500 Kilometern und Nodong-Raketen abgefeuert werden, die über 1300 Kilometer weit fliegen.
Es wurde vermutet, dass Nordkorea die Tage um den 101. Geburtstag des früheren Staatschefs und als Republikgründer verehrten Kim Il Sung am 15. April für die Raketenstarts nutzt. Neben Feierlichkeiten gebe es auch Anzeichen für eine große Militärparade in Pjöngjang, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap.
Die Lage auf der koreanischen Halbinsel gilt seit dem dritten Atomtest in Nordkorea im Februar als extrem gespannt. Pjöngjang hatte angesichts der Ausweitung von UN-Sanktionen und südkoreanisch- amerikanischer Militärmanöver den Waffenstillstandsvertrag von 1953 aufgekündigt, den USA einen atomaren Präventivschlag angedroht und den „Kriegszustand“ mit Südkorea ausgerufen.
Die Sicherheitslage auf der Halbinsel stand auch im Mittelpunkt eines Treffens von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen mit dem südkoreanischen Außenminister in Seoul. Beide hätten über Nordkoreas Atomwaffenprogramm und das Konzept einer neuen „Vertrauenspolitik“ der südkoreanischen Präsidentin Park GeunHye gesprochen, sagte eine Sprecherin von Yuns Ministerium. Es ist der erste Besuch eines Nato-Generalsekretärs in Südkorea.