Verfassungsrechtler: Staat muss Bürger vor Überwachung schützen

Berlin (dpa) - Verfassungsrechtler sehen den deutschen Staat angesichts der NSA-Affäre in der Pflicht, seine Bürger besser vor Ausspähung und Überwachung zu schützen.

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Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sagte am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, es gebe eine staatliche Verpflichtung, für eine Grundrechte wahrende und sichere Kommunikationsinfrastruktur zu sorgen. Papier und andere Staatsrechtler betonten im Ausschuss, ausländische Nachrichtendienste hätten kein Recht, in Deutschland Kommunikation zu überwachen. Bei Eingriffen in die deutschen Grundrechte müsse der Staat einschreiten. Kritik gab es auch an der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes.

Der Untersuchungsausschuss arbeitet die Spähaffäre rund um den US-Geheimdienst NSA auf. Vor etwa einem Jahr war bekanntgeworden, dass die Nationale Security Agency (NSA) und andere ausländische Nachrichtendienste im großen Stil deutsche Daten abgeschöpft haben. In seiner ersten öffentlichen Sitzung hörte der NSA-Ausschuss nun drei Juristen als Sachverständige an. Die Staatsrechtler stellten im Ausschuss Gutachten vor - unter anderem zu den Schutzpflichten des Staates.

Papier sagte, die Spähprogramme der NSA und anderer Nachrichtendienste ähnelten offenbar einer flächendeckenden und anlasslosen Erhebung und Speicherung von Telekommunikationsdaten. Eine solche Vorratsdatenspeicherung sei in Deutschland und auch in der EU nicht zulässig, wie das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof entschieden hätten. Es reiche nicht aus, wenn der Staat selbst auf grundrechtsverletzende Eingriffe verzichte, er müsse die Bürger auch vor Eingriffen durch ausländische Stellen und Unternehmen bewahren und sich international für die nötigen Schutzvorkehrungen einzusetzen.

Papier betonte, die Grundrechte der Deutschen hätten auch im Ausland ihre Geltung. Er plädierte unter anderem für eine Rechtsverschärfung, damit das deutsche Strafrecht besser für Taten anwendbar sei, die im Ausland gegen deutsche Bürger begangen würden. Nötig sei dafür eine gesetzliche Umstellung vom Tatort- auf das Schutzprinzip.

Auch der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Wolfgang Hoffmann-Riem, mahnte, es gebe eine Pflicht des Staates, die Vertraulichkeit und Integrität von Kommunikationssystemen zu schützen. Der Bund habe für sichere Netze zu sorgen. Wenn ausländische Staatsorgane in Deutschland Gesetze verletzten, müsse der deutsche Staat das unterbinden.

Hoffmann-Riem betonte zugleich, die deutschen Geheimdienste seien an das Grundgesetz gebunden. Das gelte auch für die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland.

Der Mannheimer Professor für Öffentliches Recht, Matthias Bäcker, beklagte, für die Arbeit des BND fehle zum Teil eine ausreichende gesetzliche Grundlage - etwa für die Überwachung von Telekommunikation im Ausland. Das Recht setze dem BND an dieser Stelle im Grunde keine Grenzen. Wenn der BND aber alles dürfe, was man ausländischen Nachrichtendiensten vorwerfe, „dann ist das in einem Rechtsstaat kein besonders erfreulicher Zustand“.