Viele Afghanen sehen Isaf-Truppen als Besatzer
Kabul (dpa) - Zu Beginn des Einsatzes vor zehn Jahren wurden die ausländischen Truppen von vielen Afghanen als Befreier begrüßt, doch das scheint sich geändert zu haben: In einer neuen Umfrage überwiegt die Zahl derjenigen, die die Soldaten als Besatzer empfinden.
In der Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) äußerten sich 56 Prozent der Teilnehmer entsprechend. Nur 44 Prozent sehen in den Nato-Soldaten keine Besatzungstruppen. KAS-Landeschef Babak Khalatbari nannte das Ergebnis am Dienstag „besorgniserregend“.
39 Prozent der Befragten sagten, sie sähen die Nato-geführte Internationale Schutztruppe Isaf als Sicherheitsgaranten - sechs Prozentpunkte weniger als in der Befragung des Vorjahres. Nach dem für Ende 2014 geplanten Abzug der Isaf-Kampftruppen befürchten 60 Prozent einen Bürgerkrieg. „Das Umfrageergebnis zeigt, dass in Afghanistan anscheinend immer mehr Angst und Furcht statt Hoffnung die Devise zu sein scheinen“, sagte Khalatbari.
Die KAS und die Universität Kabul befragten zwischen dem 25. und dem 30. September 5000 Afghanen in fünf Provinzen. Die Umfrage ist nach Angaben der Stiftung nicht repräsentativ, „eignet sich aber dennoch aufgrund des quantitativen Charakters zu einer Dokumentierung gegenwärtig vorherrschender Meinungstrends in Afghanistan“.
Nach massiven Anschlägen der Taliban nimmt die Anzahl der Afghanen ab, die Gespräche mit den Aufständischen befürworten. 63 Prozent sprechen sich für Verhandlungen aus - nach 74 Prozent 2010. Eine Beteiligung der Taliban an der Macht würden nur noch 51 Prozent gutheißen, ein Minus von zehn Punkten verglichen mit dem Vorjahr.
„Verklärte (Präsident Hamid) Karsai noch bis vor zwei Wochen die afghanischen Taliban als "fehlgeleitete Brüder", tituliert er sie neuerdings als "Prokuristen Pakistans" und erklärt die Verhandlungsansätze als vorerst gescheitert“, sagte Khalatbari. „Der Wind hat sich gedreht.“
Gut drei Jahre vor der geplanten Übergabe der Verantwortung von der Nato an die afghanischen Sicherheitskräfte sagen nur 28 Prozent der Befragten, sie hätten Vertrauen in staatliche Organe. Landesweit zeigten sich 22 Prozent mit der Sicherheitslage zufrieden, wobei es wie auch bei anderen Fragen regional starke Unterschiede gab: So waren die Befragten etwa im umkämpften Osten deutlich unzufriedener als im verhältnismäßig ruhigen Westen des Landes.
Mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Befragten gab an, mit den demokratischen Entwicklungen im Land insgesamt zufrieden zu sein. 49 Prozent äußerten sich unzufrieden. Im Vergleich zum Vorjahr stellt das eine Verschlechterung um sieben Prozentpunkte dar.
Ebenfalls verschlechtert hat sich die Beurteilung der Arbeit der afghanischen Regierung: 31 Prozent (minus vier Punkte) gaben an, mit der Leistung zufrieden zu sein. Die Arbeit des Parlaments beurteilen nur noch 23 Prozent positiv, nach 30 Prozent im Jahr 2010.