Vier-Augen-Gespräch von Putin und Poroschenko
Minsk (dpa) - Bei ihrem ersten Vier-Augen-Gespräch seit Anfang Juni haben Kremlchef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko über Frieden für die umkämpfte Region Donezk beraten.
Die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen im weißrussischen Minsk wurden von neuen schweren Gefechten in der Ostukraine überschattet. Fast 250 prorussische Separatisten kamen dabei nach Angaben aus Kiew seit Wochenbeginn ums Leben. Die Führung in Moskau räumte ein, dass sich eigene Soldaten im krisengeschüttelten Nachbarland aufhielten.
„In Minsk entscheidet sich das Schicksal der Welt und Europas“, sagte Poroschenko in Minsk. Putin forderte die Ukraine zur friedlichen Lösung des Konflikts auf, bei dem bereits mehr als 2000 Menschen starben. Beide sprachen am Rande eines Treffens der von Russland dominierten Eurasischen Zollunion miteinander. Kiew wirft Moskau vor, die Aufständischen mit Kämpfern und Kriegsgerät zu unterstützen.
Zu Beginn gaben sich Putin und Poroschenko vor Kameras die Hand. Es war ihr erstes Treffen seit fast drei Monaten. Poroschenko warb für seinen Friedensplan. Ziel der Gespräche sei, das Blutvergießen in seinem Land zu beenden und einen politischen Kompromiss zu suchen. Er rief russischen Agenturen zufolge die Mitglieder der Eurasischen Zollunion - Russland, Weißrussland und Kasachstan - auf, sich an einer Geberkonferenz für die notleidende Ostukraine zu beteiligen. Beobachtern zufolge vermieden Poroschenko und Putin zumindest bei den Gesprächen in großer Runde gegenseitige Schuldzuweisungen.
Die Kontaktgruppe für die Ukraine-Krise soll dem weißrussischen Präsidenten und Gastgeber Alexander Lukaschenko zufolge regelmäßig in Minsk tagen. Das erste Treffen könnte schon an diesem Mittwoch stattfinden. Das Gremium ist ein Gesprächsforum zwischen der ukrainischen Regierung und den Aufständischen unter Vermittlung Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Gruppe hatte sich schon mehrfach getroffen. Die Positionen lägen weit auseinander, aber alle seien sich in der Notwendigkeit eines Kompromisses einig, sagte Lukaschenko.
Große Aufregung lösten in Kiew Berichte über zehn russische Fallschirmjäger aus, die am Rande der Kampfzone in der Region Donezk gefangen worden waren. Die Ukraine wirft Russland vor, die Separatisten mit eigenem Militärpersonal zu unterstützen. Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Moskau bestätigte Agenturen zufolge die Festnahme russischer Soldaten. Es habe sich um eine Grenzpatrouille gehandelt, die an einer nicht markierten Stelle zufällig auf ukrainisches Gebiet gelangt sei, sagte er.
Während der Minsker Verhandlungen beschloss die prowestliche Regierung der Ukraine, binnen 48 Stunden neues Kriegsgerät für die sogenannte Anti-Terror-Operation ins Krisengebiet zu schicken.
Kremlchef Putin betonte, Moskau sei zu einem weiteren Dialog über den Konflikt bereit. Die Führung in Kiew müsse mit den Aufständischen verhandeln. An dem Treffen nahm auch eine Delegation aus Brüssel mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton teil. Es war für die EU eine heikle Reise, da der autoritär regierende Lukaschenko mit internationalen Sanktionen belegt ist. Weißrussland gilt als „Europas letzte Diktatur“ und vollstreckt noch die Todesstrafe.
Die Ukraine wolle alle Möglichkeiten für Frieden nutzen, sagte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin. An den Ergebnissen von Minsk werde sich zeigen, wie groß der politische Wille ist. „Wir wissen, mit wem wir reden müssen. Wir wissen, von was der Frieden abhängt“, sagte er mit Blick auf die Gespräche zwischen Poroschenko und Putin.
Die Führung in Kiew und die Aufständischen berichteten von heftigen Gefechten. Innerhalb von 24 Stunden seien fast 250 militante Kämpfer getötet worden, teilte der ukrainische Sicherheitsrat mit. Den Separatisten zufolge wurden zudem mehr als 80 Soldaten getötet oder verletzt und mehr als 40 gefangen genommen, wie russische Agenturen berichteten. Nach Angaben des Sicherheitsrats in Kiew wurden zudem vier Grenzschützer getötet. Bei einem Beschuss der Großstadt Donezk kamen nach Angaben des Stadtrats zudem drei Zivilisten ums Leben.
Das russische Wirtschaftsministerium erwartet wegen der Ukraine-Krise einen noch massiveren Kapitalabfluss als bisher befürchtet. Vermutlich würden ausländische Investoren im laufenden Jahr mehr als 100 Milliarden US-Dollar (etwa 76 Milliarden Euro) aus Russland abziehen, sagte Behördensprecher Oleg Sassow. Bisher hatte das Ministerium mit maximal 90 Milliarden US-Dollar gerechnet.
Die von Poroschenko ausgerufene Neuwahl des Parlaments am 26. Oktober bezeichneten die Aufständischen als „Provokation“. Es werde in den Separatistengebieten im Osten der Ex-Sowjetrepublik keine Abstimmung geben, kündigte einer der Sprecher der militanten Gruppen, Sergej Kawtaradse, an. Er drohte mit „harten Reaktionen“. Poroschenko erhofft sich von der vorgezogenen Parlamentswahl mehr Stabilität.