Ukraine: Ein Krisentreffen beim "Diktator"
Ausgerechnet in Weißrussland, im Land des autoritären Alexander Lukaschenko, kommt es Dienstag zur Begegnung zwischen Wladimir Putin und Petro Poroschenko.
Moskau/Kiew. Zumindest einer hat bei dem mit Spannung erwarteten Spitzentreffen in Minsk im Ukraine-Konflikt schon gepunktet: der autoritäre weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko. Die EU hat ihn mit Reiseverbot und anderen Sanktionen belegt. Der Grund sind auch die vielen politischen Gefangenen sowie die Todesstrafe, die die Ex-Sowjetrepublik als einziges Land in Europa noch vollstreckt.
Lukaschenko meinte zwar einmal, dass „Demokratie bekloppt“ und er „lieber Diktator als schwul“ sei. Aber weil die Krise in der Ukraine immer schlimmer wird und neu- trales Terrain gefragt ist, wollen sich die Konfliktseiten Dienstag in Minsk treffen.
Die ruhige und fast steril saubere weißrussische Hauptstadt bietet nicht nur den Hauptakteuren — also Kremlchef Wladimir Putin und seinem Kollegen Petro Poroschenko — ein ungestörtes Tête-à-Tête. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sowie Energiekommissar Günther Oettinger und Handelskommissar Karel De Gucht dürften von kritischen Medienfragen wohl unbehelligt bleiben.
Der Gastgeber hat nicht nur das Internet und sonst alle Medien unter Kontrolle. Zugelassen werden zu den offiziellen Terminen, wenn überhaupt, meist nur linientreue Reporter. Westliche Journalisten dagegen können erst nach sehr strenger Prüfung mit Visum und Akkreditierung rechnen.
Schon seit längerem bringt sich der international weitgehend isolierte Lukaschenko als Vermittler im Ukraine-Konflikt ins Spiel. Das Treffen in Minsk gilt für ihn als Geschenk, um im Westen vielleicht wieder salonfähig zu werden. Der seit mehr als 20 Jahren herrschende Staatschef durfte Anfang Juni Poroschenkos Amtseinführung beiwohnen — in einer Reihe mit Gästen wie Bundespräsident Joachim Gauck. Wladimir Putin, der in der Ukraine als Alleinverursacher des aktuellen Konflikts gesehen wird, war seinerzeit gar nicht erst eingeladen.
Doch nun ist es der Kremlchef, der inmitten einer humanitären Katastrophe und Tausenden Toten in der Ostukraine den Ton angibt. Auf seine Initiative hin kommen Poroschenko und die EU-Kommissare nach Minsk. Das Ziel: Alle wollen die Lage sondieren und nach Lösungen suchen für die Vielzahl von Problemen — angefangen bei den blutigen Kämpfen über die Handelsbeziehungen bis zum Streit um Kiews Milliardenschulden bei Moskau für offene Gasrechnungen. Ob es Putin und Poroschenko gelingt, eine Waffenruhe auszuhandeln, bleibt abzuwarten. Aber die Hoffnungen sind groß, einen Weg zum Frieden zu finden.