Von der Leyen warnt vor zu schnellem Abzug der Truppen
Masar-i-Scharif (dpa) - Bei einem zweitägigen Afghanistan-Besuch hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor einem zu schnellen Abzug der internationalen Truppen gewarnt.
Nach einem Gespräch mit Präsident Aschraf Ghani schloss sie am Sonntag nicht aus, dass der neue Nato-Ausbildungseinsatz über die bisher geplanten zwei Jahre hinausgeht. Man müsse zunächst bis 2016 mit „voller Kraft“ zum Aufbau des Landes beitragen und dann sehen, wie die Lage ist, sagte sie.
Während des Besuchs erfuhr von der Leyen vom Tod ihres Vaters, des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Sie entschied sich trotzdem dafür, ihr Besuchsprogramm am Sonntag unverändert fortzusetzen.
Die Nato beendet am 31. Dezember nach 13 Jahren den Kampfeinsatz ihrer Internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan, will aber mit 12 000 Soldaten zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Streitkräfte im Land bleiben. Die Bundeswehr stellt bis zu 850 Soldaten.
Bisher ist eine starke Verringerung der Truppenstärke im zweiten Jahr geplant, so dass die Ausbildung deutlich eingeschränkt werden müsste. Von der Leyen sieht das skeptisch. „Wichtig ist mir, dass wir (...) das Land in einer Situation verlassen, in der es eine Stärke erreicht hat, damit es sich auch behaupten kann“, sagte die CDU-Politikerin.
Nach Einschätzung von der Leyens hat sich der bisherige Einsatz der Nato trotz aller Schwierigkeiten und Opfer gelohnt. „Wenn wir den Blick zurückwerfen, dann zeigt sich an einigen Faktoren, dass es sinnvoll war.“ Afghanistan sei heute nicht mehr die „Brutstätte des Terrors“, die Zahl der Schüler habe sich verzehnfacht und das Land habe heute 350 000 Polizisten und Soldaten, um selbst für Sicherheit zu sorgen.
Die Sicherheitslage ist allerdings verheerend. Nach Angaben des afghanischen Innenministeriums wurden in deisem Jahr bis Mitte November bereits 6000 afghanische Sicherheitskräfte durch Anschläge und Angriffe der Taliban getötet. Im Vorjahreszeitraum waren es 4300. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden bis Mitte November auch 3000 Zivilisten getötet.
Am Samstag hatte von der Leyen den letzten Bundeswehr-Stützpunkt in Nordafghanistan in Masar-i-Scharif besucht und sich eine Pionierschule der afghanischen Armee angesehen. Zudem traf sie sich mit afghanischen Studentinnen.
55 deutsche Soldaten kamen in Afghanistan in den vergangenen 13 Jahren ums Leben. Gefährlich wird es für die Bundeswehr auch nach dem Kampfeinsatz bleiben.
Erst am Donnerstag war bei einem Selbstmordanschlag in einer Schule in Kabul ein deutscher Mitarbeiter einer Hilfsorganisation getötet worden. Zu dem Anschlag bekannten sich die Taliban.
Die Gewalt in Afghanistan dauerte während des Besuchs der Ministerin an. Allein am Samstag wurden mehr als 20 Menschen getötet, darunter sechs afghanische Soldaten bei einem Selbstmordanschlag in der Hauptstadt Kabul. Präsident Ghani sprach von einem „unislamischen Akt“ und mahnte in einer Fernsehansprache: „Genug, wir alle sagen gemeinsam, dass wir keinen Terror wollen.“