Vor Sisi-Besuch: Entscheidung über Mursi-Todesurteil vertagt
Kairo (dpa) - Wenige Stunden vor dem Abflug des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi nach Berlin hat ein Kairoer Gericht die Entscheidung über das Todesurteil gegen Al-Sisis islamistischen Amtsvorgänger Mohammed Mursi verschoben.
Die Richter vertagten sich auf den 16. Juni, weil das Gutachten des ägyptischen Mufti, der höchsten staatlichen Glaubensautorität im Land, erst am Morgen eingetroffen sei. Die Juristen können ihr Urteil unter Einbeziehung seiner Meinung bestätigen oder verwerfen.
Der Aufschub war für nicht unwahrscheinlich gehalten worden. Eine Bestätigung des international heftig kritisierten Urteils von Mitte Mai gegen den Islamisten Mursi hätte den Besuch Al-Sisis in Deutschland belasten können.
Der Staatschef soll am Abend in Berlin eintreffen und einen Tag später von Bundespräsident Joachim Gauck offiziell empfangen werden. Später ist ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geplant. Der Besuch ist wegen der Menschenrechtslage in Ägypten umstritten. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte ein Treffen mit Al-Sisi deshalb abgesagt.
Mursi war zum Tode verurteilt worden, weil er sich Anfang 2011 mit der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah dazu verschworen haben soll, einen Gefängnisausbruch zu organisieren. Zusammen mit ihm sollen nach dem Willen des Gerichts mehr als 100 weitere Angeklagte sterben. Unter ihnen sind Chairat al-Schater und Mohammed Beltagi, die der Führung der inzwischen verbotenen Muslimbruderschaft angehörten.
Mursi hatte 2012 als Kandidat der Bruderschaft die erste freie Präsidentenwahl in der Geschichte Ägyptens gewonnen. Im Juli 2013 hatte ihn das Militär unter Al-Sisis Führung nach Massenprotesten gegen seine autoritäre Herrschaft gestürzt. Seitdem sitzt er in Haft.
Nach dem Sturz Mursis 2013 schlug das Militär die Demonstrationen der Islamisten blutig nieder. Die Bruderschaft wurde verboten und zur Terrororganisation erklärt. Fast die gesamte Führung wurde verhaftet.