Wahlen in Tunesien: Islamisten feiern sich als Sieger

Tunis/Paris (dpa) - Nach den ersten freien Wahlen in Tunesien hat es am Dienstag kaum noch Zweifel an einem deutlichen Sieg der islamistischen Ennahdha-Bewegung gegeben.

Im Laufe des Tages veröffentlichte Ergebnisse aus einzelnen Wahlkreisen sahen die Partei von Rachid Ghannouchi nahezu ausnahmslos als stärkste politische Kraft. Sie selbst gab an, nach eigenen Berechnungen mehr als 40 Prozent der Sitze in der verfassungsgebenden Versammlung besetzen zu können.

Das vorläufige offizielle Endergebnis sollte nach jüngsten Angaben der unabhängigen Wahlinstanz am frühen Mittwochmorgen bekanntgegeben werden. Ein Ennahdha-Sprecher sagte am Abend, man werde für die Bildung einer neuen Übergangsregierung Gespräche mit allen anderen politischen Parteien suchen. Ziel sei eine Regierung der nationalen Einheit.

Die Ennahdha war unter dem im Januar gestürzten Herrscher Zine el Abidine Ben Ali verboten und ist in der Bevölkerung bis heute stark umstritten. Liberale Tunesier fürchten im Falle einer islamistischen Regierung einen dramatischen Wandel des Landes. Im Wahlkampf verkaufte sich die „Partei der Wiedergeburt“ allerdings als moderne Bewegung nach dem Vorbild der türkischen AKP und sicherte Frauen die Gleichberechtigung zu.

Auch bei in Deutschland lebenden Tunesiern kam sie mit diesem Kurs offensichtlich gut an. Nach offiziellen Angaben erhielt sie im „Wahlkreis“ Bundesrepublik rund 43 Prozent der Stimmen und holte damit mühelos den zu vergebenden Sitz in der verfassungsgebenden Versammlung. Auch in Frankreich lag sie klar vorn.

Politische Beobachter warnten vor allzu großer Panikmache mit Blick auf mögliche Gottesstaat-Pläne der Ennahdha. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein strikter Scharia-Islamismus in einer vergleichsweise liberalen Gesellschaft wie der tunesischen durchsetzbar sei, sagte der Direktor des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa, Mathias Rohe, im Deutschlandradio Kultur.

Sowohl in Tunesien als auch im Ausland wurde die Abstimmung als wichtige Bewährungsprobe für die Revolutionsbewegung in der ganzen arabischen Welt gewertet. Neun Monate nach dem Sturz von Langzeitherrscher Ben Ali waren rund sieben Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, die 217 Mitglieder einer verfassungsgebenden Versammlung zu bestimmen. Sie sollen einen neuen Übergangspräsidenten ernennen und ein Grundgesetz erarbeiten.

Nach einer ersten offiziellen Zwischenbilanz der EU-Wahlbeobachtungsmission gab es bei der Abstimmung am Sonntag kaum nennenswerte Probleme. In 97 Prozent der überprüften Wahllokale sei der Urnengang „gut“ oder sogar „sehr gut“ verlaufen, teilten die Wahlbeobachter am Dienstag in Tunis mit. Ein Lob gab es auch für die tunesischen Medien. Nahezu alle hätten vor den Wahlen ausgeglichen berichtet und eine sehr positive Rolle bei der Wählerinformation gespielt.