„Wir haben die Krise nicht überwunden“
Polens Ministerpräsident Tusk zieht eine gemischte Bilanz als EU-Ratspräsident.
Warschau. Donald Tusk hat vieles richtig gemacht. Dennoch steht der polnische Ministerpräsident am Ende des Jahres als Verlierer da. Sechs Monate lang hatte Polen die EU-Ratspräsidentschaft inne. Tusk tat trotz eines Wahlkampfes im eigenen Land alles, um den krisengeschüttelten Kontinent zu einen. Doch der Träger des Europäischen Karlspreises 2010 gesteht: „Wir haben die Krise nicht überwunden.“
Anders als die vorangegangenen Ratspräsidentschaften der osteuropäischen EU-Neulinge Tschechien und Ungarn ernten Tusk und seine Mannschaft für ihre Arbeit viel Lob. „Die polnische Präsidentschaft hat hoch professionell und mit großem Enthusiasmus den Geist der Partnerschaft in Europa am Leben erhalten“, sagt EU-Kommissionpräsident Barroso. Der Blick auf die Fakten fördert jedoch Ernüchterndes zutage. So ist Tusk mit dem Versuch gescheitert, die osteuropäischen Partnerländer enger an die EU zu binden. Und das Ausscheren Großbritanniens beim Dezember-Gipfel belegt, dass es der Regierung in Warschau nicht gelungen ist, die Kluft zwischen den Ländern der Euro-Zone und der 27er-EU zu überwinden.
„Die Ausgangslage war nicht leicht“, urteilt Agnieszka Lada vom Warschauer Institut für Öffentliche Angelegenheiten. „Die Finanzkrise war das alles dominierende Thema“, sagt sie und streicht als Erfolg die Verabschiedung des „Sixpack“ heraus. Das von den Polen federführend entworfene Gesetzespaket verpflichtet die EU-Staaten zu verschärfter Haushaltsdisziplin. Tusk und Finanzminister Jacek Rostowski mussten jedoch immer wieder am eigenen Leib erfahren, dass ihr Land, das nicht Mitglied der Euro-Zone ist, bei dem Krisenmanagement nur eine Nebenrolle spielte. Den Ton gaben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Nicolas Sarkozy an.
Tusk verlegte sich darauf, die deutsch-französische Dominanz schlichtweg zu akzeptieren. Innenpolitisch brachte ihm das viel Ärger ein. Die rechtskonservative Opposition um Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski warf Tusk Verrat an nationalen Interessen vor. Bei dem Versuch, den Regierungschef aus dem Amt zu vertreiben, scheiterte der Rechtsaußen der polnischen Politik jedoch. Tusk gewann die Parlamentswahl im Oktober klar.