Zehntausende beim Trauerzug für Vaclav Havel in Prag
Prag (dpa) - In der tschechischen Hauptstadt Prag haben Zehntausende Menschen Abschied vom gestorbenen Ex-Präsidenten Vaclav Havel genommen. Der Trauerzug mit dem Sarg überquerte auf dem Weg zur Prager Burg auch die Karlsbrücke.
Schweigend gaben die Menschen dem Ex-Präsidenten, Dissidenten und weltweit anerkannten Dramatiker das letzte Geleit. Havels Witwe Dagmar und enge Freunde des „Dichterpräsidenten“ folgten dem blumengeschmückten Leichenwagen. Eine Trauernde hielt ein Plakat mit Havels Lebensmotto „Wahrheit und Liebe müssen siegen“ hoch.
Vor dem Requiem im Veitsdom am Freitag haben die Tschechen in der Prager Burg ein letztes Mal die Möglichkeit, am Sarg ihres gestorbenen Präsidenten Abschied zu nehmen. Der Dramatiker und frühere Dissident Havel war am Sonntag nach langer Krankheit im Alter von 75 Jahren gestorben.
Staatsgäste aus aller Welt haben ihre Teilnahme an der zentralen Trauerfeier angekündigt. Erwartet werden US-Außenministerin Hillary Clinton, Bundespräsident Christian Wulff, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und voraussichtlich auch der polnische Ex-Präsident und Solidarnosc-Anführer Lech Walesa. Die Slowakei wird sowohl von Präsident Ivan Gasparovic als auch von Ministerpräsidentin Iveta Radicova vertreten. In der Hauptstadt Bratislava würdigte das Parlament mit einer Schweigeminute den Verstorbenen.
In Prag bekundeten viele Tschechen ihre Trauer auf ganz persönliche Weise. An der Fassade der Kirche neben der Karlsbrücke hing ein handbemaltes Transparent mit der Aufschrift „Danke, Vaclav“. Junge Leute klingelten mit ihrem Schlüsselbund und erinnerten daran, wie Havel mit seinen Wegbegleitern vor mehr als zwei Jahrzehnten das Ende des Kommunismus eingeläutet hatte.
In einer militärischen Zeremonie voller Symbolik und Pathos wurde der Sarg mit Havels sterblichen Überresten auf dem Prager Hradschin empfangen. Pferde zogen den Sarg auf einer Geschützlafette über den Burgvorplatz, mit der im Jahr 1937 auch die sterblichen Überreste des ersten tschechoslowakischen Präsidenten Tomas Garrigue Masaryk überführt wurden. Eine Ehrengarde von mehreren Hundert Soldaten begleitete Havels Sarg. Ihm folgten im leichten Regen Havels Witwe Dagmar, sein Bruder Ivan, Staatspräsident Vaclav Klaus und höchste staatliche Würdenträger.
Mehr als 10 000 Menschen versammelten sich vor der Burg, um der Prozession beizuwohnen. Als der Sarg das Gigantentor passiert hatte, klatschen sie im Andenken an Havel spontan in die Hände. „Er war ein Verfechter von Idealen, das wird in der heutigen Zeit fehlen“, sagte einer der Trauernden der Deutschen Presse-Agentur. Mit Ex-Außenminister Jiri Dienstbier, dem Schriftsteller Jiri Grusa und nun Vaclav Havel sei eine ganze Elite der Nation abgetreten, beklagte ein junger Mann. Die drei engen Weggefährten und Freiheitskämpfer waren alle in diesem Jahr verstorben.
In seiner Trauerrede rief Präsident Vaclav Klaus dazu auf, den Kampf für Freiheit und Demokratie fortzusetzen, den sein Vorgänger begonnen habe. „Wir müssen uns dafür einsetzen, dass diese Wörter einen Sinn erhalten, dass Verantwortung nicht zu einem leeren Begriff wird, und dafür, dass die Verteidigung der Freiheit weiterhin auf der politischen Agenda stehen wird“, sagte der Politiker.
In Tschechien gab es auch Kritik daran, dass ausgerechnet Klaus die Rede auf Havel hielt. Der neoliberale Amtsinhaber hatte seinem Vorgänger wiederholt und auch öffentlich Intrigen und „fatale Irrtümer“ vorgeworfen. Havel wiederum hatte seinen Nachfolger oft als „Populisten“ bezeichnet und dessen „EU-Feindlichkeit“ beklagt.
Die Trauerfeierlichkeiten wurden den ganzen Tag über live im ersten Programm des tschechischen Fernsehens übertragen. Die Beisetzung wird nach dem Requiem am Freitag zu einem späteren Zeitpunkt im engsten Familienkreis erfolgen.