Bewegung bei Finanzsteuer: Berlin sucht Alternativen
Berlin (dpa) - Deutschland und Frankreich wollen Großbritannien doch noch für eine europaweite Börsensteuer gewinnen. Die Bundesregierung zeigte sich am Freitag gesprächsbereit für Alternativen, falls London die Einführung einer Transaktionssteuer in allen 27 EU-Staaten dauerhaft blockiert.
Grundlage für einen Kompromiss könnte eine „Stempelsteuer“ sein, die in Großbritannien bei bestimmten Finanzgeschäften bereits gilt. Diese Idee hatte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ins Spiel gebracht. In der Unionsfraktion gab es allerdings kritische Stimmen.
Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am Freitag, Röslers Vorschlag sei „ausgesprochen klug und vernünftig“. Die Initiative des Vizekanzlers könnte eine Brücke sein, um die Briten ins Boot zu holen.
In der Unionsfraktion wurde betont, der Vorschlag Röslers werde zur Kenntnis genommen. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sei Beschlusslage von CDU und CSU. In der Fraktion werde erwartet, dass auf dieser Basis sowie auf Grundlage des Vorschlags der EU-Kommission für eine Transaktionssteuer weiterverhandelt werde. Vor allem komme es darauf an, die Bemessungsgrundlage für eine solche Abgabe so breit wie möglich anzulegen. Dies sei bei dem britischen Modell nicht der Fall.
An diesem Montag wollen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein französischer Kollege Francois Baroin bei einem Treffen in Paris nach Lösungen suchen. Am Dienstag kommen in Brüssel alle 27 EU-Finanzminister zusammen, um den EU-Gipfel am 30. Januar vorzubereiten. Dabei könnten auch Kompromissmodelle für eine Börsensteuer - etwa eine einjährige Probezeit - auf den Tisch kommen. Mit der Abgabe sollen Banken an den Krisenkosten beteiligt und Spekulationen eingedämmt werden.
Das Bundesfinanzministerium erklärte, der Vorschlag der EU-Kommission für eine Transaktionssteuer in allen 27 Staaten werde weiter mit Hochdruck verfolgt. Ein Durchbruch werde bis spätestens Ende März angestrebt: „Und wenn nicht, dann müsste man eben gucken, auch innerhalb der Koalition, welche anderen Wege sind machbar und gehbar“, sagte Sprecher Martin Kotthaus.
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, die Abgabe ab 2014 auf Transaktionen zu erheben, wenn ein Akteur in der EU ansässig ist. Der Handel mit Anteilen und Anleihen würde mit 0,1 Prozent besteuert, der mit Derivaten mit 0,01 Prozent. Brüssel erhofft jährliche Einnahmen von etwa 57 Milliarden Euro.
Die FDP lehnt eine Transaktionssteuer nur in den 17 Euro-Ländern ab und will sie nur akzeptieren, wenn sie in allen 27 EU-Staaten eingeführt wird. Großbritannien blockiert aber. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy halten deshalb auch eine Einführung nur in der Eurozone für machbar.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erklärte, eine Finanztransaktionssteuer nur für die Eurozone wäre ein Eigentor. „Deswegen ist es ein guter Ansatz, auf unsere britischen Freunde zuzugehen und mit ihnen gemeinsam vernünftige Lösungen zu erarbeiten“, sagte Brüderle der Nachrichtenagentur dpa. Röslers Vorschlag sei eine sehr gute Verhandlungsgrundlage. Wichtig seien Regelungen für den computergesteuerten Handel, wo gigantische Summen bewegt werden, sowie eine europaweite Bankenabgabe.
Die von Rösler angeführte „Stamp Duty“ - für den elektronischen Handel „Stamp Duty Reserve Tax“ - konzentriert sich vor allem auf den Verkauf von Aktien und Optionsscheinen. Wer in Großbritannien Aktien verkauft, muss auf den erhaltenen Geldwert 0,5 Prozent Steuer zahlen. Kritiker argumentieren, dass die spekulativen Märkte für Devisen- und Derivatehandel von der Stempelsteuer nicht erfasst werden. Bei der Transaktionssteuer wäre dies der Fall.
Aus der Union kamen Signale an die FDP, rasch zu einer Lösung zu kommen. Für den Fall, dass es nicht zu einer Transaktionssteuer in ganz Europa komme, werde man das „möglichst schnell im Koalitionsausschuss bereden“, sagte der Vize-Chef der Unionsfraktion, Michael Meister (CDU). „Unser Ziel muss es sein, dass wir nach wie vor eine erfolgreiche Koalition haben.“ Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte in der „Welt“, eine Börsensteuer sei angemessen und überfällig.