Ukraine-Konflikt BND-Chef: Warnungen der Geheimdienste nicht mehr als Panikmache abtun

Der BND will schon dringend vor Putin gewarnt haben, als dieser noch als Deutschlands bester Gaslieferant galt. Daraus müsse man Lehren für die Zukunft ziehen, meint Behördenchef Kahl.

Männer stehen auf dem Logo des BNDs.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Um die intensive Spionage und auch mögliche Sabotage russischer Agenten abzuwehren, fühlen sich die deutschen Nachrichtendienste insgesamt gut aufgestellt. Einige Probleme und Defizite bleiben jedoch, wie sich am Montag bei einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages zeigte. Dazu gehört beispielsweise der Schutz von Bundeswehr-Standorten vor Aufklärungsdrohnen.

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) arbeite aktuell an einem Konzept dafür, sagte die MAD-Präsidentin Martina Rosenberg. „Da sind wir dran, weil das eine tatsächliche Bedrohung ist.“ Außerhalb des direkten Umkreises der Bundeswehr-Liegenschaften seien allerdings andere Sicherheitsbehörden verantwortlich, etwa die Polizei.

Der Verfassungsschutz habe keine technische Ausrüstung, „um einzelne Drohnen bestimmten Nachrichtendiensten zuzuordnen“, erklärte der Präsident des Inlandsgeheimdienstes, Thomas Haldenwang. Mit Blick auf Berichte über kleine Drohnen, die an Standorten gesichtet wurden, an denen ukrainische Soldaten an bestimmten Waffensystemen ausgebildet werden, sprach der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Konstantin von Notz, von einem großen Sicherheitsproblem.

Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geht es nach Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes (BND) bei seinem Angriffskrieg nicht in erster Linie um das Staatsgebiet der Ukraine. Der am 24. Februar begonnene Krieg sei eine „Kriegserklärung“ gegen die gesamte westliche demokratische Welt, sagte Behördenchef Bruno Kahl. Beide Konfliktparteien suchten nach wie vor die Entscheidung auf dem Schlachtfeld. Er rechne daher mit einer Fortsetzung der Kampfhandlungen bis ins nächste Jahr.

Der BND habe immer darauf hingewiesen, dass Putin - wie schon in Tschetschenien, Georgien, Syrien, auf der Krim und im Donbass – auch weiterhin Gewalt anwenden werde, um seine politischen Ziele durchzusetzen. Die russische Aggression gegen die Ukraine sei für den Auslandsgeheimdienst daher nicht überraschend gekommen. „Was für uns das Ergebnis professioneller nachrichtendienstlicher Arbeit ist, hat weite Teile der deutschen Bevölkerung aufgerüttelt, da es im öffentlichen Diskurs der letzten Jahrzehnte bedauerlicherweise üblich geworden war, reale Bedrohungen immer wieder zu ignorieren und zu verdrängen – und entsprechende Warnungen der Sicherheitsbehörden als Panikmache und Wichtigtuerei abzutun“, kritisierte Kahl. Zu den Staaten, in denen der BND aktuell wachsende russische Einflussversuche wahrnehme, zähle in Europa auch Bulgarien.

Ereignisse wie der Ukraine-Krieg zeigten, weshalb Deutschland seine Sicherheitsbehörden brauche, sagte Kahl. Hier müsse man ansetzen, statt den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder unnötig „Angst vor ihren eigenen Sicherheitsbehörden zu machen“. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz berichtete, seine Behörde habe die Zahl der Mitarbeiter ihrer Spionageabwehr verstärkt sowie diese Abteilung enger mit der Cyberabwehr verzahnt. Der Verfassungsschutz gehe davon aus, „dass es auch in Deutschland weiter russische Illegale gibt“, die als Spione mit falscher Identität lebten, sagte Haldenwang.

Seine Behörde schaue auch auf sogenannte Influencer und deutsche Politiker, die Desinformation zugunsten des Kreml betrieben. Als Beispiel nannte er auf die über soziale Medien verbreitete, frei erfundene Behauptung, in deutschen Bibliotheken würden russische Bücher verbrannt, um Bibliotheken im Winter zu beheizen. Bei Politikern, die „das Lied Putins singen“, sei nicht immer klar, ob dies aus Überzeugung geschehe „oder weil es dafür Geld gibt“. Um mögliche Zuwendungen aufzuklären „fehlt uns einfach das Werkzeug“.

Zu anderen aktuellen massiven Bedrohungen zähle auch „ein zur Globalmacht aufsteigendes autokratisches China“, sagte Kahl. MAD-Präsidentin Martina Rosenberg sagte, neben russischen Ausspähaktivitäten seien auch nachrichtendienstliche Aktivitäten Chinas gegen die Bundeswehr „seit Jahren auf hohem Niveau“. In Fachkreisen heiße es mit Blick auf die Größenordnungen der Bedrohungen schon länger, „Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel“, sagt Haldenwang. Darauf müsse man sich einstellen.

Das Geheimdienst-Kontrollgremium tagt normalerweise geheim. Einmal im Jahr findet die Befragung der Chefs der Nachrichtendienste des Bundes öffentlich statt.

(dpa)