Britische Konservative auf EU-Kollisionskurs
Das Wahlprogramm der Tories liegt vor. Die Partei will das Land unabhängiger von Brüssel machen.
London. Das Signal war eindeutig: Als Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich in London zu Besuch war, machte sie sich gar nicht die Mühe, Tory-Chef David Cameron zu treffen. Der Konservative war bei ihr wegen seines Anti-EU-Kurses in Ungnade gefallen - und dabei könnte es bleiben, selbst wenn er am 6. Mai neuer Premierminister werden sollte. Denn das Wahlprogramm, das Cameron am Donnerstag vorstellte, bringt die Briten zusätzlich auf Konfrontationskurs zu Brüssel.
Die grenzübergreifend kooperierenden Gerichts- und Polizeisysteme und EU-Gesetzgebung in Sozial- und Arbeitsrechtsfragen, all das kommt bei einem Sieg der Konservativen auf den Prüfstand: Justizabkommen sollen aufgekündigt und neue, nationale Gesetze weitere EU-Regulierung blockieren. "Wir lassen es niemals zu, dass Großbritannien in ein föderales Europa abgleitet", heißt es in dem Programm.
Cameron verspricht, Gesetzeshoheit von Brüssel zurück nach London zu holen. Die "fortwährende und rechenschaftsfreie Einmischung der EU in all’ unsere Lebensbereiche" müsse gebremst werden. Nationale Vetos gegen Brüsseler Entscheidungen sind zum Unmut der Briten seit der Vertragsratifizierung von Lissabon kaum noch möglich.
Die regierende Labour-Partei kontert in ihrer Agenda mit direkten Anspielungen auf die "armselige und ohnmächtige Tory-Vision" von Europa. Für sie ist klar, dass "keine EU-Abmachungen neu verhandelt oder rückgängig" gemacht werden sollen: Im Gegensatz zum deutschen Kurs will Premier Gordon Brown, sofern er die Wahl gewinnt, zudem den EU-Beitritt der Türkei forcieren.
Die EU-freundliche Haltung könnte den in Umfragen zurückliegenden Brown weitere Stimmen kosten, zumal der Wähler-Missmut über die liberale gesteuerte Einwanderung zunimmt. Während die Tories in Umfragen weiter vor Labour liegen, verzeichnen die rechtskonservative British National Party und die EU-feindliche UK Independence Party bereits kräftigen Aufwind in Umfragen.
Viele Briten, die ein Patt zwischen den beiden großen Parteien fürchten, setzen nun auf das erste TV-Duell in der Geschichte der Insel: Samstagabend treten Brown, Cameron und Nick Clegg (Liberal Democrats) gegeneinander an.