Bundeswehr: Guttenberg, der Nachdenkliche

Beim Besuch der Streitkräftebasis dreht sich alles um den Einsatz in Afghanistan.

Grafschaft. Er wirkt nachdenklich, fast ein wenig in sich gekehrt an diesem sonnigen Tag im rheinland-pfälzischen Grafschaft. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist zum Antrittsbesuch bei der Streitkräftebasis in der Philipp-Freiherr-von-Boeselager-Kaserne.

Ein entspannter Termin, sollte man meinen. Doch er wird überschattet von vielen offenen Baustellen des einstigen Shooting-Stars im Bundeskabinett.

Da sind die neuen Attacken der Opposition kurz vor Beginn der politischen Aufklärungsarbeit im Kundus-Untersuchungsausschuss. Und da ist der massive US-Truppenaufmarsch im Norden Afghanistans, der die Bundeswehr erheblich unter Druck setzt.

Die Sorgen sind dem Minister anzusehen, als er durch das improvisierte kleine Feldlager läuft, in dem die Soldaten ihrem obersten Vorgesetzten ihre Fähigkeiten demonstrieren wollen.

"Kreativ - effizient - modern - im Einsatz erfolgreich", unter diesem Motto präsentiert sich die Streitkräftebasis (SKB). Mehr als 4000 Soldaten der SKB sind Teil der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf. Auch an diesem Tag ist der Einsatz am Hindukusch allgegenwärtig.

Zwischen zwei Zelten steht ein Dingo, ein gepanzertes Radfahrzeug, oder besser das, was von ihm übrig ist. Die Scheiben sind zersplittert, die Räder verbogen, aber der Innenraum ist noch intakt. Im April 2009 hatte sich ein Selbstmordattentäter in der Nähe von Kundus in seinem Toyota direkt vor dem Dingo in die Luft gesprengt.

"Die Bombe hatte eine Schlagkraft von 40 Kilogramm TNT", erzählt ein Offizier. "Die vier Soldaten überlebten und sind wieder im Einsatz. Herr Minister, hier sehen Sie, geschützte Fahrzeuge sind lebensnotwendig."

Guttenberg nickt, fragt nach. Er lässt sich die Arbeit der Feldjäger zeigen, den ABC-Schutz, und er schaut sich an, wie Soldaten auf die kulturellen und politischen Begebenheiten im Einsatzland vorbereitet werden. Guttenberg signalisiert der Truppe, dass er einer von ihnen ist, sich für ihre Sorgen und Nöte interessiert.

Bei einer Live-Schaltung ins deutsche Isaf-Feldlager "Camp Marmal" in Masar-i-Sharif fragt Guttenberg sogleich nach der Lage vor Ort. "Ich bin in Gedanken bei den Soldaten", versichert der Minister seinem Gegenüber, Brigadegeneral Frank Leidenberger.

Wichtig ist Guttenberg die neue völkerrechtliche Einordnung des Einsatzes, die dazu führt, dass militärische Gewaltanwendung nicht mehr nach deutschem Strafrecht geahndet wird. "Geben Sie dieses Signal an die Truppe weiter", bittet Guttenberg in der Video-Konferenz.

Schon bald will er wieder nach Afghanistan reisen. "Nur so kann ich mir einen Eindruck verschaffen", sagt er. Im Blick hat er dabei vor allem die Verlegung zusätzlicher US-Soldaten in den Verantwortungsbereich der Bundeswehr. Leidenberger zufolge werden "im ersten Schritt bis zu 1900Mann erwartet".

150 US-Hubschrauber würden in Masar stationiert. Und das alles unter deutschem Kommando, betont der Kontingentführer. Doch so recht will ihm niemand glauben.

"Wenn ein deutscher General zu einem Soldaten sagt, geh’ rechts. Aber US-General Stanley McChristal sagt: geh’ links, dann ist wohl klar, welche Richtung der Soldat einschlägt", meint ein Offizier.

Die USA schicken bis zu 5000 Soldaten in die Nordregion. Und die Sorge ist groß, dass die Amerikaner brachial gegen die dortigen Taliban vorgehen werden und das Gefahrenpotenzial auch für die Bundeswehr steigt.

In so einem Moment hat Guttenberg keine Gedanken für Störfeuer aus der Opposition, die ihm "feiges Abrücken von alten Torheiten" (Grünen-Chefin Claudia Roth) in Bezug auf Äußerungen zur Kundus-Affäre vorwirft.

Er habe nicht Neues zu sagen, betont er. "Ich unterstütze die parlamentarische Untersuchung, denn der Vorfall in Kundus hat ja das eine oder andere Defizit aufgezeigt." Sagt es, steigt in seine schwarze Limousine und winkt. Und dabei schaut Karl-Theodor zu Guttenberg wieder sehr nachdenklich.