US-Wahl 2016 und ihre Folgen "Calexit"? - Nach Trump-Sieg denken Kalifornier über ein Goodbye nach

Sonne, Surfen - und bald auch Sezession? Die Aussicht auf Präsident Trump gibt der „Calexit“-Bewegung im liberalen Kalifornien Auftrieb. Aktivisten kämpfen für die Unabhängigkeit, das Silicon Valley könnte dabei helfen.

#Calexit - eine Idee gewinnt seit der Wahl Trumps immer mehr Anhänger.

Foto: Barbara Munker

San Francisco. Es ist ein Szenario aus Katastrophenfilmen - ein gewaltiger Erdstoß spaltet Kalifornien ab. Statt auf Naturgewalten setzt die Grassroots-Bewegung „Yes California“ auf ein politisches Beben. Das Ziel: Der Westküstenstaat spaltet sich aus dem Verbund der Vereinigten Staaten von Amerika ab, Kalifornien wird eine souveräne Nation.

Anfangs als absurde Idee belächelt, so hat die Unabhängigkeitsbewegung durch den Wahlsieg des konservativen Populisten Donald Trump einen massiven Anschub bekommen. Mehr als 60 Prozent der Wähler im liberalen „goldenen Staat“ wollten Hillary Clinton als Präsidentin. Auf der Facebookseite der Bewegung schießen die „Gefällt mir“-Klicks hoch, der Hashtag #Calexit - in Anlehnung an Brexit- ist zum Schlagwort geworden.

Doch Marcus Ruiz Evans, Mitbegründer der Initiative, sieht große Unterschiede zum Brexit-Referendum, mit dem die Briten mehrheitlich für einen EU-Austritt ihres Landes stimmten. „Unsere Werte in Kalifornien sind völlig anders“, sagt der US-Bürger mexikanischer Abstammung der Deutschen Presse-Agentur. „Wir lieben Einwanderer und wollen die Grenzen öffnen, wir wollen mehr internationalen Austausch“, versichert der 39-jährige Aktivist.

Die vor gut zwei Jahren mit einer Handvoll Leuten gestartete „Yes California“-Kampagne habe nun schon mehr als 11 000 freiwillige Helfer, sagt Evans. Sie machen im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat mit 38 Millionen Einwohnern Werbung für die Sezession. Spätestens im Jahr 2019 sollen die Wähler über ein entsprechendes Referendum abstimmen, lautet das Ziel.

Kalifornien müsse jetzt jährlich Milliardensummen an Steuern an Washington abdrücken, um damit die Union zu subventionieren. Im Gegenzug fließe von der Regierung nicht genügend Geld etwa für Schulen und die Verbesserung der Infrastruktur zurück, sagt Evans.

Würde Kalifornien einen Alleingang als souveräne Nation schaffen? Daran hat die „Yes California“-Bewegung keine Zweifel. „Wir zählen zu den zehn stärksten Wirtschaftsmächten“, meint Evans und verweist stolz auf die Ressourcen: Tourismus, Landwirtschaft, saubere Energie, Hollywood, Silicon Valley.

Aus dem High-Tech-Mekka sind Finanzspritzen für den Alleingang des Staates zu erwarten. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump sagte der Start-up-Investor Shervin Pishevar prompt seine Hilfe zu - „damit Kalifornien zu einer eigenständigen Nation wird“, wie der Unternehmer auf Twitter schrieb.

Der Trump-Sieg hat auch die demokratische Regierung in Sacramento schwer erschüttert. „Heute Morgen fühlen wir uns wie Fremde in einem fremden Land“, hieß es in einer Mitteilung der beiden höchsten Vertreter des kalifornischen Parlaments. Zehntausende Menschen an der Westküste machen bei Anti-Trump-Protesten mit.

Auch die Studentin Angela Ames ging im nordkalifornischen Berkeley auf die Straße. „Calexit“ ist für sie allerdings keine Alternative. „Wir sind ein Land und müssen nun zusammenhalten“, meint die 18-Jährige. „Abspaltung ist keine Lösung.“ Auch der Kalifornier Benjamin Bartlett hält dies für eine „dumme Idee“. Der 37 Jahre alte Demokrat bezweifelt, dass ein entsprechendes Referendum verabschiedet werden könne.

Ein „Yes“ der Wähler wäre nur der erste Schritt. Natürlich müsste Kalifornien danach mit der Regierung in Washington verhandeln und beim Kongress eine Zustimmung für den Austritt erwirken, sagt Evans. Dies wäre ein „langer und schwieriger“ Weg, räumt die Bewegung auf ihrer Webseite ein, denn nach US-Gesetzen könne kein Staat im Alleingang aus der Union aussteigen. „Yes California“ visiert einen entsprechenden Verfassungszusatz an, der aber nur mit einer Zweidrittelmehrheit vom Senat und dem Abgeordnetenhaus die legalen Hürden passieren könnte.

Also bloß ein kalifornischer Traum? Ähnliche Bewegungen, etwa in Alaska, Oregon oder „Texit“ im US-Staat Texas haben es bisher nicht weit gebracht. Doch Evans lässt sich davon nicht entmutigen. „Ich bin früher oft als Spinner bezeichnet worden, aber nach dem Sieg von Trump sagt nun jeder 'Nichts ist unmöglich', also versuchen wir es.“

Mit einer großen Werbetafel am Stadtrand der Landeshauptstadt Sacramento will die Kampagne weiter für Aufmerksamkeit sorgen. „Darauf schreiben wir 'Willkommen in unserer Hauptstadt'“, sagt Evans, „als wäre Kalifornien bereits eine eigene Nation“. (dpa)