Berlin. Die Linke war gleich zur Stelle. Kaum war der Verdacht im Raum, General Motors wolle den Opel-Verkauf überdenken, rief Linke-Vizechef Klaus Ernst die Autobauer auf, ihren Protest "vor das Kanzleramt zu tragen". Unversehens könnte die krisengebeutelte Firma wieder zum innenpolitischen Streitfall werden.
Mit einem fulminanten Auftritt vor den Autobauern in Rüsselsheim hatte schon Frank-Walter Steinmeier aufhorchen lassen. Aber der Kavaliersstart in den SPD-Wahlkampf ruft bei ihm zwiespältige Erinnerungen hervor. Gedankt wurde dem SPD-Kanzlerkandidaten das Engagement für Opel nicht.
Seither muss er sich die vorwurfsvolle Frage anhören, warum nur einem großen, aber nicht kleinen Unternehmen mit Staatsgeldern geholfen wird. Bei der Europawahl schmierte die SPD sogar an Opel-Standorten ab. Dafür avancierte der erklärte Skeptiker der Opel-Rettung im Kabinett über Nacht zum Star: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
Steinmeier hat verstanden. Als jetzt Zweifel an GM aufkamen, da wurde der Außenminister zwar bei seiner US-Amtskollegin Hillary Clinton vorstellig und stand an der Seite von Opel-Betriebsratschef Klaus Franz. Aber den offenen Streit mit Union und Kanzlerin Angela Merkel sucht er nicht mehr.
Die Rivalen treiben die selben Fragen um: Belastet die Übernahmeschlacht die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA? Und wollen die Amerikaner Opel loswerden oder einzig an den US-Finanzinvestor RHJ verkaufen?
Geht es noch um einen Deal oder bloß darum, den Abbruch der Gespräche zu provozieren und den Berlinern die Schuld dafür zuzuschieben? Hillary Clinton jedenfalls hatte zwar ein Ohr für "Frank", ließ sich aber nicht in die Karten schauen. Viel schlauer war der Außenminister auch nach dem Telefonat mit seiner US-Amtskollegin nicht.
Verstummt waren die Zweifel an GM in Berlin nie, wie ein Insider erzählt, der die Verhandlungen von der ersten Runde an verfolgt hat. "Da war immer eine starke Fraktion, die sich den Rückkauf der Perle Opel vorbehielt." Eine starke Stellung bei "new Opel" hatte sich GM schon gesichert. Nun dränge sich der Verdacht auf, dass die Leute in Detroit das Unternehmen auch nicht mehr an "Magna" verkaufen, sondern weiter führen wollen: "Uns sagen sie es so nicht, aber man spürt es."
Die Motive bereiten in Berlin Kopfzerbrechen. Nachdem die Insolvenz abgewendet ist, wolle GM den Weltmarkt mit einem Kleinwagen und einem Elektroauto erobern. Das Know-How stammt aus dem Opel-Entwicklungszentrum.
An die Fertigungsqualität in Europa kommen die US-Werke nicht ran. Zudem wittert GM in Osteuropa einen neuen Markt. In Russland lässt sich ein Opel "Made in Germany" besser als ein US-Fahrzeug verkaufen. Was der Anbieter "Magna" vorhat, taugt als Geschäftsmodell auch für GM.
Know-How, Qualitätsdenken, Absatzmärkte - drei starke Gründe, Opel zu halten. Auch um den Preis, dass GM 1,5 Milliarden Euro an deutschen Staatshilfen zurückzahlt? Im Bundestag hört man noch eine vierte Vermutung. Die USA wollten den Deal stoppen, weil zum Anbieterkonsortium um "Magna" eine russische Firma gehöre. Nach der Lesart ruft der Technologietransfer die Supermacht auf den Plan.