Analyse Debatte um Corona-Bonds: Warum wir den anderen helfen müssen

In Euroland droht ein heftiger Streit über gemeinsame Schulden. Dabei spricht viel mehr für als gegen solche Corona-Bonds.

Neue 200-Euro-Banknoten im Überfluss? Ob alle Euro-Länder gemeinsam für eine Ausweitung der Schulden haften sollen, ist in Europa heftig umstritten.

Foto: dpa/Esma Cakir

Zuschüsse, zinslose Kredite, Bürgschaften, Konjunkturpakte, Anleihenkäufe – im Kampf gegen die ökonomische Lähmung durch das Coronavirus werden derzeit alle staatlichen Register gezogen. Gestern war die schwarze Null heilig, heute sind neue Schulden in Billionenhöhe das Gebot der Stunde. Weil sich das Länder wie Italien und Spanien nicht leisten können, ist der alte Streit um gemeinsame Schulden in Euroland neu entfacht. Brauchen wir Corona-Bonds?

Worum geht beim Streit um Euro- oder Corona-Bonds?

Italien, Spanien, Frankreich und sechs weitere EU-Länder fordern Corona-Bonds als gemeinsames Schuldeninstrument gegen die Folgen der Krise. Begründung: Wenn sie im Alleingang neue Kredite aufnehmen, zahlen sie für diese Anleihen höhere Zinsen. Weil sie das auf Dauer nicht schaffen, drohen Staatspleiten. Trotzdem lehnen insbesondere Deutschland, die Niederlande und Österreich Euro-Bonds ab.

Was spricht gegen Euro-Bonds?

Der Widerstand gegen eine „Vergemeinschaftung von Schulden“ ist vor allem in Deutschland groß. Bei einem Zahlungsausfall in einem anderen EU-Land müsste Deutschland einspringen und mit Steuergeld helfen. Bundesbankchef Jens Weidmann formuliert es so: „Man vertraut anderen doch seine Kreditkarte nicht an, wenn man nicht die Möglichkeit hat, deren Ausgaben zu kontrollieren.“ Euro-Bonds erhöhen die Schuldenspielräume für Länder wie Italien, die schon lange zu sehr auf Pump leben. Der Sparanreiz und der Zwang zu wirtschaftspolitischen Reformen sinkt oder geht komplett verloren.

Was spricht für Euro-Bonds?

Da auch Länder mit einer sehr hohen Kreditwürdigkeit wie Deutschland mit in der Haftung sind, würde die Zinslast für hoch verschuldete Länder mit Hilfe von Euro-Bonds sinken. Die gemeinsamen Anleihen wären ein starkes Signal an die Kapitalmärkte und würden Spekulanten von Angriffen auf einzelne Länder abhalten. Die Coronakrise ist wie eine Naturkatastrophe, die die Staaten nicht zu verantworten haben. Länder wie Italien und Spanien brauchen die Hilfe der EU-Partner. Das ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft, weil Deutschland auf diese Handelspartner angewiesen ist.

Was ist heute anders als in der Eurokrise?

Die Schuldenkrise traf Länder mit unsoliden Staatsfinanzen und wenig wettbewerbsfähigen Strukturen auf dem Arbeitsmarkt oder beim Steuerrecht besonders hart. Statt Euro-Bonds gab es damals Geld über Rettungschirme nur gegen harte Auflagen. Die Länder wurden gewungen, ihre Strukturen zu verändern, zum Beispiel mussten Sozialleistungen gekürzt werden. Heute ist die Ausgangslage anders, weil die Staaten ihre Notlage nicht zu verantworten haben.

Wie beurteilen führende Ökonomen des Landes die Einführung von Euro-Bonds?

Es gibt keine einheitliche Haltung, aber die Widersacher sind in der Minderheit. „Es gibt keine gemeinsame europäische Haushaltspolitik, und deshalb darf es auch keine gemeinsame Haftung geben“, sagt zum Beispiel Hans-Peter Burghof von der Uni Hohenheim. Zu den Befürwortern der Euro-Bonds gehören Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, der Ex-Wirtschaftsweise Peter Bofinger sowie Gabriel Felbermayr, Chef des Kieler Institus für Weltwirtschaft, und Jens Südekum, Ökonomie-Professor an der Uni Düsseldorf. Sie alle sind der Meinung, dass die Starken den Schwachen helfen müssen. Sie verlangen, dass die Mitgliedsstaaten der Eurozone „begrenzt auf diese Krise“ gemeinsame Anleihen mit einem Gesamtvolumen von 1000 Milliarden Euro ausgeben. Damit könne man den besonders betroffenen Ländern beistehen und verhindern, dass sie in eine Solvenzkrise geraten.

Wie könnte die Umsetzung aussehen?

Der Euro-Rettungsschirm könnte erweitert werden, wenn alle Staaten zustimmen. Der Fonds nimmt am Kapitalmarkt Anleihen auf, alle 19 Euro-Mitgliedsstaaten bürgen dafür. Auf dieser Basis könnten auch vorsorgliche Kreditprogramme vereinbart werden. Im Notfall garantiert die Europäischen Zentralbank den Aufkauf der Anleihen.