Meinung Warum es klug ist, das Notstandsgesetz in NRW zu überdenken
Meinung · NRW-Ministerpräsident Armin Laschet will ein Corona-Notstandsgesetz am liebsten schon am Mittwoch „möglichst parteiübergreifend“ durch den Düsseldorfer Landtag bringen. Handwerklich ist an dem Gesetzentwurf noch einiges zu korrigieren.
Ein NRW-Gesetz zur Pandemie-Bekämpfung, in wenigen Tagen gefertigt, eingereicht in der Hoffnung, den Gesetzesweg im Schnellverfahren zu nehmen und zusammen mit dem erst vor einer Woche beschlossenen Milliarden-Hilfspaket als nächster tatkräftiger Akt der NRW-Politik gefeiert werden zu können: Das darf die Opposition auf den Plan rufen. Und es wäre ganz falsch, SPD und Grünen in diesem Fall die Rolle des hadernden Bedenkenträgers und Hasardeurs zuzuteilen, der in Zeiten der Gefahr die Notwendigkeiten nicht erkennt und so zwingende Sofortmaßnahmen vereitelt.
Nicht zuletzt das NRW-Polizeigesetz hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass es dem politischen Diskurs, zuerst aber der gesellschaftlichen Akzeptanz gut tut, wenn bei solch weitreichenden Grundrechtseingriffen ein parteiübergreifender Konsens erreicht wird. Dafür darf auch nachgeschärft oder infrage gestellt werden. Der Druck, den das Virus ausübt, rechtfertigt nicht alles. Diese Erkenntnis zu erhalten, ist demokratischer Grundkurs. Die Landesregierung hat beim Polizeigesetz gut daran getan und täte es jetzt wieder, wenn sie Bedenken zulässt, um am Ende nicht schnell, sondern schlau zu sein. Das Gesetz ist für politischen Geländegewinn nicht geeignet. Und schnell kann es trotzdem gehen – dazu scheinen alle Fraktionen in Nordrhein-Westfalen, die man am Montag hören konnte, bereit.
Grundsätzlich gilt: Dass man auf die zahlreich neu entstehenden Sachverhalte ständig neu reagieren muss, ist selbstverständlich. Die Lage ist fließend. Aber dazu hatte bislang das Infektionsschutzgesetz eine ganz passable Grundlage gebildet. Und es ist nicht leicht zu erkennen, warum nun ein Pandemie-Gesetz her muss, das wirklich sinnvoll erst ganz am Ende dieser schlimmen und weltweiten Krise stehen kann. Dann, wenn sich die vielen Lehren zusammen kehren lassen. Derzeit aber steht man noch am Beginn dieses Prozesses.
Handwerklich ist an dem Gesetzentwurf einiges zu korrigieren: Es fehlen teils Befristungen für ermöglichte Notfall-Maßnahmen. Das Bestimmtheitsgebot ist verletzt, wenn eben diese Maßnahmen ungenau beschrieben und so nicht wirklich fassbar sind. Und: Der gesamte Gesetzestext enthält keine Revisionsklausel, um die Neuregelungen zu einem fixen Zeitpunkt wieder auf den Prüfstand zu stellen. Und zuletzt: Dass medizinisches Personal das Grundrecht auf freie Berufswahl per Gesetz im Ausnahmefall genommen werden soll, wird diese Menschen nicht nur misstrauisch machen, sondern bei allem auch zuletzt geleisteten Einsatz auch verletzen: Ärzte verstehen sich gemeinhin als berufen – und nicht verpflichtet.