„Missbrauchsverbot“ Bundesregierung will Preiserhöhungen bei Strom und Gas verbieten – in diesen Fällen
In Deutschland sollen Erhöhungen der Preise für Strom und Gas für 2023 verboten werden. Ein Gesetzentwurf dazu sieht ein „Missbrauchsverbot“ vor.
Die Bundesregierung will Strom- und Gas-Versorgern im kommenden Jahr Preiserhöhungen in bestimmten Fällen untersagen. Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zu den Preisbremsen sieht ein „Missbrauchsverbot“ vor, demzufolge die Versorgungsunternehmen 2023 „ihre Arbeitspreise nicht erhöhen“ dürfen, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Samstag mit. Hintergrund ist der Erstattungsanspruch für Lieferanten aus der Gas- und Strompreisbremse, bei dem eine „missbräuchliche Anwendung“ verhindert werden solle. Ein vollständiges Preiserhöhungs-Verbot ist nach Ministeriumsangaben aber nicht möglich.
Die Anbieter können die Preise 2023 nur dann anheben, wenn sie damit steigende Beschaffungskosten weitergeben - dies müssen sie selbst dem Bundeskartellamt gegenüber belegen, erklärte das Ministerium gegenüber AFP, nachdem die „Bild“ darüber berichtet hatte.
Das Ministerium sprach mit Blick auf diese Regelung von einer „Beweislastumkehr“, die für das Funktionieren der Preisbremsen „sehr wichtig“ sei. Nicht das Kartellamt müsse beweisen, dass ein Missbrauch vorliegt, „sondern im Gegenteil, das Unternehmen muss beweisen, dass es nicht missbräuchlich“ die Preise erhöht. Bei missbräuchlichen Erhöhungen könne das Kartellamt den Unternehmen Geldzahlungen auferlegen.
Zahlreiche schon jetzt von den Unternehmen angekündigte Erhöhungen zum Jahreswechsel könnten also illegal sein. Das Ministerium verwies darauf, dass diese angekündigten Preiserhöhungen zum Jahreswechsel bereits von der Preisbremse erfasst seien und deshalb den gesetzlichen Regelungen dazu unterliegen. Damit gelte: „Was die Höhe der Preiserhöhungen angeht, gilt, dass die tatsächlichen Beschaffungskosten weiter gegeben werden können, nicht aber darüber hinausgehende Steigerungen.“
Mit der Regelung will das Ministerium nach eigenen Angaben „verhindern, dass künftige Preiserhöhungen bereits allein deshalb erfolgen könnten, weil ja ohnehin der Staat über den Preisdeckel die Kosten trägt“. Dies wäre „missbräuchlich“ und müsse vermieden werden.
Bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung einer Preiserhöhung könnten sich Verbraucherinnen und Verbraucher an die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen wenden oder anderweitig rechtliche Beratung suchen, empfahl das Ministerium.
Ein Ministeriumssprecher verwies darauf, dass es sich bei den Plänen bislang nur um einen Gesetzentwurf handle; er könne noch im parlamentarischen Verfahren geändert werden.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bezeichnete das Missbrauchsverbot als „absolut richtig“, warnte aber zugleich vor einer zu engen Auslegung. Es müsse „sichergestellt sein, dass angemessene und nach den allgemeinen Regeln zulässige Anpassungen weiterhin möglich sind“, erklärte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Sie wies darauf hin, dass die Versorger im Großhandel zuletzt „extremen“ Preisanstiegen ausgesetzt waren. In den vorliegenden Gesetzentwürfen sehe der Verband aber „keinen Widerspruch“ zu seinen Anliegen.
Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, sagte dazu der „Bild“-Zeitung: „Im Ergebnis muss Missbrauch ausgeschlossen werden.“ Ziel sei die Verhinderung von „Mitnahmeeffekte, die Versorgungsunternehmen zu höheren Tarifen animieren“, sagte der Sprecher für Energiepolitik der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse.
Unter Berufung auf Zahlen des Verbraucherportals Check24 berichtete „Bild“, dass zum 1. Januar massive Preisaufschläge geplant seien: 457 Gas-Versorger planen demnach ein Plus um durchschnittlich 56 Prozent, davon betroffen wären 3,6 Millionen Haushalte. 636 Strom-Versorger planten Erhöhungen um durchschnittlich 60 Prozent für 7,5 Millionen Haushalte.
„Verbraucher dürfen die Zahlung der Erhöhung zurückhalten“, sagte die Chefin des Bundes der Energieverbraucher, Leonora Holling, dem Blatt. Die geplanten Erhöhungen stünden nicht im Verhältnis zur Preisentwicklung an der Börse. „Wir raten Verbrauchern, Widerspruch einzulegen.“