Programm für das Wahljahr Die Grünen wollen sich im Wahljahr nicht treiben lassen
Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann setzt auf „Anstand statt Affekt“. Aber an vielen Stellen ist spürbar, wie schwierig der Spagat ist.
Düsseldorf. Das eine tun, ohne das andere zu lassen. Der Satz fällt nicht ein einziges Mal, als Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann und die Landesvorsitzende Mona Neubaur aus Grünen-Sicht auf das bevorstehende Wahljahr blicken. Aber er kennzeichnet die Schwierigkeiten, mit denen sich die Grünen ihren Weg in dieses Wahljahr bahnen. Sicherheit ja, aber ohne Aufgabe von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Die Wirtschaft stärken ja, aber nur wenn sie energieeffizienter und klimafreundlicher wird. Druck auf den türkischen Dachverband Ditib ausüben ja, aber ohne vorschnell alle Verbindungen zu kappen.
Letzteres Thema gehört zwar gar nicht zum Wahlausblick, trifft bei den Journalisten aber zunächst auf das größte Interesse, weil Löhrmann eben auch Schulministerin ist — und damit zuständig für den Beirat, der die Lehrbefugnis für die staatlich ausgebildeten islamischen Religionslehrer erteilt. Nach den Spitzelvorwürfen gegen Imame der Ditib fordert Löhrmann den Dachverband für Moscheevereine dazu auf, seinen Sitz in dem achtköpfigen Beirat bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen zu lassen. Sie erwarte „im Laufe der nächsten Wochen klare Ergebnisse“.
Nach Darstellung der Ministerin bestehe in Sachen Ditib kein Dissens in der Landesregierung. Innenminister Ralf Jäger (SPD) habe die Zusammenarbeit mit der Ditib nur bei einem konkreten Projekt beendet, so wie auch sie selbst ein nicht mehr tragbares Mitglied aus dem Beirat entfernt habe. Auf anderen Feldern gebe es noch eine Zusammenarbeit. Und in jedem Feld habe der Verband das Anrecht auf sorgfältige Prüfungen. „Wir wollen keine Formfehler machen.“
Aus ihrer Sicht könne Ditib aber keine Anerkennung als Religionsgemeinschaft finden, „wenn es eine direkte Abhängigkeit vom türkischen Staat gibt“. Eine Haltung, die inzwischen auch die evangelische Kirche teilt, die in einer aktuellen Erklärung die Ditib ebenfalls auffordert, sich strukturell von der türkischen Religionsbehörde Diyanet zu trennen.
Auch auf den anderen Themenfeldern versuchen die Grünen, die inneren Zerreißproben ins Positive zu wenden. „Anstand statt Affekt“, gibt Löhrmann als persönliche Jahreslosung aus und spricht von den Grünen als der Partei, „die sich von der Hysterie nicht anstecken lässt, sondern besonnen und nicht aktionistisch handelt“.
Für die Innere Sicherheit bedeutet das: Alle Maßnahmen müssten sich als verfassungsfest und wirksam erwiesen haben. Und vor der Anwendung der Fußfessel sei eine klare Definition des Gefährder-Begriffs notwendig. Neubaur fordert NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf, weiter zur Aufklärung des staatlichen Versagens im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri beizutragen. Gleiches gelte aber für Bundesinnenminister Thomas de Maizière. „Das Thema Sicherheit ist auf Bundesebene seit zwölf Jahren in den Händen der CDU.“
Neben der Sicherheitsfrage setzen die Grünen für das Wahljahr auf ihre „Kernkompetenz“ (Löhrmann): die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie. Das Umweltthema habe auch mit den weltweiten Fluchtbewegungen zu tun. Klimabedingte Naturkatastrophen benennt Löhrmann als eine der Ursachen für Hunger und bewaffnete Auseinandersetzungen. Nötig sei eine Änderung des Wirtschaftens, beispielsweise bei der Produktion emissionsfreier Fahrzeuge.
Dabei müsse man auch Widersprüchlichkeiten und die Komplexität von Themen aushalten. Da ist er wieder, der Spagat. Und die langwierigen Entscheidungsprozesse. Aber die, so Löhrmann in Abgrenzung zum aktuellen Dekret-Feuerwerk in den USA, seien Folge rechtsstaatlicher Grundprinzipien. „Das dürfen wir uns nicht schlechtreden lassen.“