Energiekonzept: NRW kämpft gegen Merkels Atomkurs

Gemeinsam mit anderen Bundesländern will die rot-grüne Regierung notfalls gegen längere Laufzeiten der Meiler klagen.

Berlin. Die Kanzlerin besucht gerade ein Wasserkraftwerk an der Schweizer Grenze, während ihr stellvertretender Regierungssprecher knapp 800 Kilometer nordöstlich eine Abwehrschlacht schlägt. Doch alle Fragen führen nicht ans Ziel. Kein Kommentar zu dem mit Spannung erwarteten Energiegutachten, erst recht keiner zu dem für Ende September geplanten nationalen Energiekonzept.

Dieses Wochenende wollen Spitzenbeamte in den Ministerien für Umwelt und für Wirtschaft wie auch ihre Dienstherren Norbert Röttgen (CDU) und Rainer Brüderle (FDP) nutzen, um das Gutachten über die Zukunft des Energiemixes für Deutschland auszuwerten, das den "Auftraggebern" am Freitag in Berlin überreicht worden ist. In vier Szenarien haben die Autoren darin aufgeschrieben, wie die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt künftig ihren Energiehunger stillen könnte. Röttgen, Brüderle und am Ende auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden dann vor der Aufgabe stehen: Aus vier mach’ eins!

Selten ist ein Energiekonzept so befeuert und umkämpft gewesen wie das dieser schwarz-gelben Bundesregierung. Und selten zuvor haben sich die vier Stromversorger RWE, E.on, Vattenfall und EnBW derart gegen die Bundeskanzlerin in Stellung gebracht wie dieses Mal. Vor Wochenfrist waren sie mit ihrem "Energiepolitischen Appell" gegen die schwarz-gelbe Atompolitik in die Offensive gegangen. Zu rot-grünen Regierungszeiten hatten sich die Strombosse im Jahr 2000 immerhin auf einen Vertrag für den geordneten Ausstieg aus der Kernkraft eingelassen. Merkel jedenfalls reagierte schwer verärgert. "Irgendetwas in Richtung einer Drohung", konterte sie, führe bei ihr "meistens zu einer totalen Gegenbewegung".

Jetzt also soll bis 28. September das Energiekonzept von Schwarz-Gelb stehen, das dann, insoweit Länderkompetenzen berührt sind, auch den Bundesrat passieren muss. Kein leichtes Unterfangen. Umweltminister mehrerer Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Thüringen oder Berlin machten am Freitag in Berlin deutlich, dass es für längere Atomlaufzeiten nicht nur keine Mehrheit in der Länderkammer gebe. Mehr noch: Sie erwägen sogar eine Klage gegen längere Laufzeiten beim Bundesverfassungsgericht, sollte die Bundesregierung diesen Schritt wagen.

Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) machte deutlich, dass die Länder auch die Interessen der Kommunen mit ihren Stadtwerken vertreten würden, denen die Marktmacht der großen Stromanbieter ein Dorn im Auge sei.