Islamunterricht Erdogan in deutschen Klassenzimmern? - Moscheeverband im Zwielicht

Seit langem kommen Muslime nach Deutschland, zuletzt Hunderttausende Flüchtlinge. Doch für islamischen Religionsunterricht an den Schulen gibt es keine einheitliche Regelung. Die brisante Lage in der Türkei macht die Sache noch komplizierter. Im Zwielicht: der Verband Ditib.

Wer soll junge Muslime in Deutschland im Islam unterrichten? Darum gibt es Streit.

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Berlin/Köln. Beim Ziel sind sich alle einig: Islam-Unterricht für junge Muslime gehört nicht in die Hände von Hinterhof-Predigern. Doch nach wie vor haben die zuständigen Bundesländer Probleme, anerkannte Islam-Religionsgemeinschaften für Kooperationen zu finden - also suchen sie bei den sehr heterogenen muslimischen Verbänden. Auch in diesem sensiblen Bereich der Schulpolitik schlagen die autoritären Tendenzen der Türkei nun auf Deutschland durch. Aktueller Stein des Anstoßes: Der größte Islam-Dachverband Ditib in Köln.

Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) ist auch Ansprechpartner für mehrere Bundesländer beim islamischen Religionsunterricht. Das Problem: Sie untersteht der türkischen Religionsbehörde - und ist damit, so sagen Kritiker, dem direkten Einfluss von Präsident Recep Tayyip Erdogan ausgesetzt. Lange war die Nähe zu Ankara kein großes Thema, galt die Ditib doch als weitgehend immun gegen islamischen Extremismus. Aber seit Erdogans massiver Reaktion auf den Putschversuch vom 15. Juli macht sich Unbehagen breit - politische Propaganda soll nicht in deutschen Klassenzimmern landen.

Als prominentester Skeptiker sagt Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU): „Meines Erachtens sollte man es nicht zulassen, dass ein Verband wie Ditib, der offenbar Sprachrohr von Präsident Erdogan ist, den islamischen Religionsunterricht in Schulen gestaltet.“ Andere Politiker von Union und SPD rufen die Organisation zur Abgrenzung von Ankara auf. Die religionspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kerstin Griese, mahnt aber auch, man müsse im Gespräch bleiben, „da Verbände wie Ditib die einzigen Gesprächspartner sind, die wir beim Thema Islam hier haben“.

Da liegt das Dilemma, und auch in der unterschiedlichen Schulpolitik der Länder. Laut Kultusministerkonferenz (KMK) bieten Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, NRW, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz und seit kurzem auch das Saarland Islam-Unterricht unter staatlicher Aufsicht an. In Berlin und Bremen ist Religion kein festes Schulfach, unterliegt auch nicht dem staatlichem Einfluss. In Hamburg werden Kurse nicht getrennt nach Konfessionen erteilt, sondern als „Religionsunterricht für alle“.

Die Ditib wehrt sich gegen Vorwürfe, verlängerter Arm Erdogans in Deutschland oder Sprachrohr bis in die Klassenzimmer zu sein. Sprecher Zekeriya Altug: „Diese Unterstellung entbehrt eindeutig jeglicher Grundlage.“ Der rheinland-pfälzische Ditib-Vize Cihan Sen weist den Verdacht einer politischen Einflussnahme aus der Türkei ebenfalls zurück.

Die Zweifel wachsen dennoch. So legt die aus SPD, Grünen und FDP gebildete Regierung von Rheinland-Pfalz ihre Verhandlungen mit islamischen Verbänden zum Religionsunterricht auf Eis. Das baden-württembergische Kultusministerium wertet Ditib-Aussagen aus, da der Verband auch im Südwesten islamischen Religionsunterricht erteilen möchte. Und im schwarz-grünen Hessen behält sich das Bildungsministerium Konsequenzen vor - dort geben Ditib-Lehrer unter staatlicher Kontrolle seit drei Jahren islamische Religionskurse.

Als Vorreiter gilt das rot-grüne Nordrhein-Westfalen, das als erstes Bundesland überhaupt Islam-Unterricht 2012/13 als ordentliches Fach eingeführt hatte. Inzwischen bieten 176 Schulen Unterricht für fast 14 000 muslimische Kinder an. Ein Beirat aus acht Mitgliedern - darunter ein Ditib-Vertreter - ist laut Schulministerium an der Entwicklung des Lehrplans beteiligt. In Düsseldorf heißt es nun, man werde die „weitere Entwicklung in der Türkei und die Auswirkungen auf die Arbeit der Ditib in Deutschland aufmerksam beobachten“.

Die NRW-Regierung müsse „Farbe bekennen und neue Konzepte vorlegen“, verlangt CDU-Integrationsexpertin Serap Güler. Die Ditib beteuere zwar, ihre Anbindung zu Ankara sei nicht politisch. Die vergangenen Monate „lassen daran aber mehr denn je zweifeln“. Güler: „Die Ditib ist ein Organ der türkischen Religionsbehörde, insofern kann sie gar nicht neutral sein.“ Und Erdogan habe im europäischen Vergleich wohl die meisten Anhänger in Deutschland.

Laut Zentrum für Türkeistudien (Essen) hat Erdogans Regierungspartei AKP bei der Parlamentswahl Ende 2015 in der Türkei 49,5 Prozent erzielt, in Deutschland bei türkischstämmigen Wählern sogar knapp 60 Prozent. In Ditib-Moscheegemeinden liege das „konservativ-religiöse Wählerreservoir der AKP“, heißt es. Auch NRW-CDU-Chef und Bundes-Vize Armin Laschet hat mehrfach von der Ditib verlangt, sich von der türkischen Innenpolitik unabhängig zu machen.

Zwar haben die Länder beim Islam-Unterricht das Sagen, aber auch der Bund setzt auf die Förderung von Islamischer Theologie, um zuverlässige Prediger und Religionspädagogen auszubilden. Die an mehreren Unis gegründeten Zentren seien eine Erfolgsgeschichte, sagt Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Das Bundesinnenministerium macht aber auch klar: Dieser Weg brauche Zeit, solche Lehrer ließen sich nicht „jetzt irgendwie auf Knopfdruck“ an die Schulen bringen.