NRW Fall Amri deckt Lücken bei den Behörden auf

Untersuchungsausschuss vernimmt Chefs von Flüchtlingsamt und Bundeskriminalamt. In der Kommunikation liegt viel im Argen.

Der erste Zeuge des Amri-Untersuchungsausschußes, der ehemalige Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, sagte im Untersuchungsausschuss aus.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. Zwei hochrangige Zeugen haben am Montag im Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags zum Fall des islamistischen Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt Missstände in Arbeitsweise und Kommunikation der Behörden offengelegt. Inwieweit diese verantwortlich dafür waren, dass der den Sicherheitsbehörden Monate vor der Tat bekannte Tunesier Anis Amri das Verbrechen begehen konnte, das klärte die Befragung jedoch nicht. Zwölf Menschen starben durch die Tat vom 19. Dezember.

Frank-Jürgen Weise, von Oktober 2015 bis Ende 2016 Chef des Bundesamts für Flüchtlinge (BAMF), sagte, dass dem Amt bereits im Februar 2016 bekannt war, dass Amri unter mindestens acht verschiedenen Identitäten auftrat. Amris Ende April gestellter Asylantrag wurde im Mai abgelehnt, wobei der Täuschungsversuch über seine Nationalität (er hatte behauptet, Ägypter zu sein) gegen ihn verwertet wurde. Da auch heute noch nicht alle bundesweit 600 Ausländerbehörden die vom Bund zur Verfügung gestellte Technik zum Datenaustausch (Fingerabdrücke, Bilderkennung) verwendeten, seien weiterhin Identitätstäuschungen und damit Sozialbetrug möglich, sagte Weise.

Auch die internationale Zusammenarbeit habe nicht funktioniert. So habe eine Anfrage bei der Eurodac-Datenbank, in der Fingerabdrücke straffällig gewordener Flüchtlinge gespeichert werden, keinen Treffer ergeben, obwohl Amri in Italien straffällig geworden war.

Mit Blick auf NRW stellte Weise fest, dass das Land — anders als Bayern — Flüchtlinge ohne Sicherheitsüberprüfungen direkt in die Kommunen geschickt habe. Weise attackierte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), der schon kurz nach seinem Amtsantritt beim BAMF offene Kritik an der Amtsführung geübt habe. „Das fand ich ungebührlich. Ich hätte mir eine kooperativere Zusammenarbeit gewünscht.“ Mit Jäger habe es daraufhin keinen Kontakt mehr gegeben. Wohl habe das Amt gut mit der Verwaltungsebene in NRW gearbeitet.

Holger Münch, Chef des Bundeskriminalamts nutzte seinen Auftritt im Landtag dafür, mehr gesetzliche Instrumente im Kampf gegen den Terrorismus einzufordern. Allein in NRW lebten 210 der bundesweit 602 als Gefährder definierten Personen. Angesichtes militärischer Niederlagen setze der IS weltweit auf Anschläge. Münch machte sich für die vereinheitlichte Einführung von Telekommunikationsüberwachung zur Gefahrenabwehr in den Polizeigesetzen der Länder stark.

Auch er kritisierte Schwachstellen in der internationalen Kooperation. Schon ein Alias-Name oder ein Buchstabendreher bei der Angabe des Nachnamens habe verhindert, dass Amris kriminelle Vorgeschichte ans Licht kam. Die Informationssysteme müssten um biometrische Daten ergänzt werden.