Meinung Fall Amri - Eine neue Arena für den Lieblings-Gladiator
Den Wettlauf der Aufklärer im Fall Amri hat die FDP in NRW längst gewonnen. Schon Ende Januar präsentierten die Liberalen ein Rechtsgutachten, wonach die Aussage von Innenminister Ralf Jäger (SPD) widerlegt sei.
Der hatte gesagt, im Fall Amri habe es keine rechtliche Handhabe gegeben, den Gefährder festzusetzen. Diesem Gutachten setzt die Landesregierung die Beauftragung eines Strafrechtsprofessors entgegen, dessen Untersuchungen noch andauern. Da die Opposition freilich kein Interesse an solcherart Aufklärung im Stillen hat, untersucht nun in den letzten Wochen der Legislaturperiode noch ein Untersuchungsausschuss das Thema: Welches Fehlverhalten der rot-grünen Landesregierung führte dazu, dass der Attentäter von Berlin zwölf Menschen töten konnte?
Es ist schon bemerkenswert, was möglich ist, wenn man es nur will. Als vor knapp einem Jahr gerichtlich entschieden wurde, dass es keinen Strafprozess in Sachen Loveparade-Katastrophe geben soll, da wurden Rufe nach einer politischen Aufarbeitung durch einen Untersuchungsausschuss zurückgewiesen. Das schaffe man nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode. Und nur so lange hat ja ein Untersuchungsausschuss Zeit, seinen Auftrag zu erfüllen. Ist er doch vom Parlament eingesetzt. Dieses Parlament wird nach der Wahl ein anderes sein. Der Auftrag hat sich dann erledigt. Und jetzt setzt man einen Express-Ausschuss aufs Gleis, der in acht Wochen Klarheit in einen anderen Fall bringen soll, der auch nicht gerade unkompliziert ist.
Natürlich geht es um ein berechtigtes Aufklärungsinteresse. Natürlich ist es wichtig, Licht in Vorgänge zu bringen, Fehler von Behörden aufzudecken, um daraus für die Zukunft zu lernen. Die gestrige Zeugenvernehmung zweier Behördenchefs hat durchaus gezeigt, wie viel da im Argen liegt. Oder wie es der frühere Flüchtlingsamts-Chef Weise sagte: „Es wurde nicht getan, was der Bürger vom Staat erwarten kann.“
Bei all dem sollte man aber immer mitdenken, worum es auch geht: Die Opposition hat sich eine neue Wahlkampfarena geschaffen, durch die sie ihren Lieblings-Gladiator, den Innenminister, treiben will. Auch das ist natürlich politisch legitim. Doch sei die Frage erlaubt: Wenn der an so vielen Fronten bekämpfte Minister wirklich einmal aufgeben sollte — welche Pfeile hätte man da eigentlich noch für den Wahlkampf im Köcher? Würde es da am Ende gar um Sachfragen gehen?