Meinung Erdogan will mit Provokation punkten
Die Niederlande stehen glänzend da. Eine starke Wirtschaft beschert hohe Einkommen und niedrige Arbeitslosenzahlen. Trotzdem gelingt es dem Rechtsaußen Geerd Wilders, das Land mit seinen Hass-Botschaften zu spalten.
Der 53-Jährige predigt die „Entislamisierung“ der Niederlande. Er will alle Moscheen schließen, den Koran verbieten und keine Asylbewerber aus islamischen Staaten mehr aufnehmen. Angesichts dieser radikalen Positionen wirkte der rechtsliberale Regierungschef Mark Rutte bislang blass und hilflos. Der heftige Streit um die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker spielt Rutte nun jedoch in die Hände. Endlich kann er mit Blick auf die Parlamentswahlen am Mittwoch klare Kante zeigen, sein Profil schärfen. Dass Den Haag dem Außenminister aus Ankara die Landeerlaubnis verweigert und der Familienministerin die Fahrt zum Konsulat in Rotterdam versperrt, sind ungewöhnlich starke Signale.
Ruttes Gegenüber in diesem Konflikt ist Recep Tayyip Erdogan, der türkische Präsident. Er treibt den verbalen Konflikt mit Nazi-Vergleichen und wüsten Drohungen in immer neue Höhen. Erdogan will die Eskalation, er will sich als Außenseiter inszenieren, der sich mit den Mächtigen in Europa anlegt. Mitte April stimmen die Türken über die Einführung eines Präsidialsystems ab, das sämtliche Macht im Land beim Staatschef bündelt. Dass Erdogan gewinnt, ist keineswegs sicher. Deshalb setzt er auf Provokation: Je heftiger das Ausland ihn kritisiert, umso eher kann der Präsident die nationalistischen Wähler mobilisieren. Deshalb ist der Vorwurf, Ruttes harte Haltung spiele letztlich Erdogan in die Hände, zumindest nicht abwegig.
Die Bundesregierung hat sich in dieser Frage bisher weggeduckt und das Problem den Kommunen überlassen. Fehlende Parkplätze und mangelhafte Brandmelder dürfen aber nicht den Ausschlag geben, wenn es um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland geht. Müssen wir im Sinne der Meinungs- und Versammlungsfreiheit Ankaras Propaganda hierzulande ertragen? Es gibt durchaus Gründe, diese Frage zu bejahen. Entscheidend aber ist: Das Versammlungsrecht des Grundgesetzes dient nicht dazu, Erdogan und seinen Ministern eine Bühne zu geben, damit sie in Deutschland dafür werben, zu Hause Freiheit und Demokratie abschaffen zu können. Die Regierung in Den Haag sieht das so. Hoffentlich schließt sich Berlin dieser Haltung an.