Frans Timmermans Dieser Niederländer will EU-Kommissionschef werden

Brüssel · Frans Timmermans ist der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der EU-Wahl. Der derzeit erste Vizepräsident kommt aus dem Dreiländereck bei Aachen - und hat seinem konservativen Kontrahenten Manfred Weber (CSU) einiges voraus.

Frans Timmermans ist erster Vizepräsident der scheidenden EU-Kommission. (Archivbild)

Foto: dpa/Soeren Stache

Er ist erster Vizepräsident der scheidenden EU-Kommission, spricht ein halbes Dutzend Sprachen und war Außenminister in seinem Heimatland: Auf dem Papier hat der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, Frans Timmermans, seinem konservativen Kontrahenten Manfred Weber (CSU) einiges voraus. Wegen der anhaltenden Krise seiner politischen Familie wird er im Ringen um die Präsidentschaft der EU-Kommission jedoch eine breite Koalition mit anderen Parteien zimmern müssen.

Wie sein Vorgänger bei der Wahl 2014, Martin Schulz, kommt Timmermans aus dem Dreiländereck bei Aachen. 1961 in Maastricht geboren wuchs der Niederländer im wenige Kilometer entfernten Heerlen auf. Seine politische Laufbahn begann er in den 1990er Jahren als Parlamentsabgeordneter der Partei der Arbeit (PvdA).

Hinter dem freundlichen Lächeln des 57-Jährigen verbirgt sich ein politischer Ehrgeiz, der ihm 2007 das Amt des Europa-Staatssekretärs und 2012 des Außenministers der Regierung in Den Haag einbrachte. Nach der Europawahl 2014 schickte ihn der liberale Regierungschef Mark Rutte als EU-Kommissar nach Brüssel, wo er erster Stellvertreter des konservativen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker wurde.

Gerne hätte Timmermans die Brexit-Verhandlungen mit der Regierung in London geführt. Dem schob sein Vorgesetzter jedoch einen Riegel vor: Als Vizepräsident habe Timmermans „andere Dinge“ zu tun, befand Juncker. Brexit-Chefunterhändler wurde der Franzose Michel Barnier.

Timmermanns ist ein Verfechter der Rechtsstaatlichkeit in der EU

Timmermans machte sich stattdessen als Verfechter der Rechtsstaatlichkeit in der EU einen Namen: Wegen anhaltender Verstöße gegen EU-Werte strengte er Strafverfahren gegen Polen und Ungarn an. Für die rechtsnationalen Regierungen in Warschau und Budapest wurde der Kommissionsvize dadurch zum Feindbild.

In den Niederlanden hat Timmermans PdvA nach schweren Wahlniederlagen inzwischen ihre einstmals wichtige politische Rolle eingebüßt. Eine zweite Amtszeit als EU-Kommissar ist für ihn daher quasi ausgeschlossen. Stattdessen kürte die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) den Kommissionsvize im Dezember zum Spitzenkandidaten und möglichen Nachfolger Junckers an der Spitze der Brüsseler Behörde.

Den Kampf für die Rechtsstaatlichkeit führte Timmermans fort - und musste sich den Vorwurf gefallen lassen, seinen Posten zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen. Doch inzwischen kommt die Regierung eines dritten europäischen Problemkindes in Sachen Rechtsstaatlichkeit aus Timmermans eigenen Reihen: Den in Rumänien regierenden Sozialdemokraten wird seit geraumer Zeit vorgeworfen, die Justiz nach Gutdünken umzubauen.

Parteiintern hatten die Konservativen beim Thema Rechtsstaatlichkeit im März vorgelegt. Unter Federführung von Spitzenkandidat Weber setzten sie die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orban in der EVP bis auf Weiteres aus. Im April zog Timmermans nach: Auf sein Bestreben hin wurde die Mitgliedschaft der rumänischen Regierungspartei in der SPE „eingefroren“.

Timmermanns möchte eine „progressive Koalition“ gegen Webers Konservative

Größere Probleme dürfte Timmermans bereiten, dass die sozialdemokratischen Parteien nicht nur in seiner Heimat in der Krise stecken. Prognosen schätzen die Zahl ihrer Abgeordneten im nächsten EU-Parlament auf rund 150 im Vergleich zu derzeit 187. Wer Kommissionspräsident werden will, braucht den Zuspruch von mindestens 376 Abgeordneten.

Um dies zu erreichen, möchte Timmermans im EU-Parlament eine „progressive Koalition“ von Linken, Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen gegen Webers Konservative zimmern. Als „wichtigste Themen für Europa in den nächsten Jahren“ nannte er im Interview mit dem Deutschlandfunk „den Klimawandel und die Nachhaltigkeit“.

Neben einer Mehrheit im Parlament ist zudem die mehrheitliche Unterstützung aller EU-Staats- und Regierungschefs nötig. Dass sich die Regierung seines Heimatlandes im Kreise der EU-Länder aktiv für den Niederländer als Kommissionschef einsetzen wird, ist nicht zu erwarten.

(AFP)