Frauen suchen verzweifelt nach Beleg-Hebammen
Nur noch jede vierte freiberufliche Hebamme in NRW betreut überhaupt Geburten. Der Rest kümmert sich nur noch um Vor- und Nachsorge. Nach langem Zögern ist der Hebammen-Schwund nun Thema im Koalitionsvertrag.
Berlin. Drastisch steigende Haftpflichtprämien bringen den Hebammen-Beruf in Gefahr. Nur noch etwa 3000 freiberufliche Hebammen in Deutschland holen auch tatsächlich Kinder auf die Welt. Von 1560 Freiberuflichen in NRW leisten laut Landesverband der Hebammen nur noch 378 Geburtshilfe. Die übrigen bieten nur noch Vor- und Nachsorge an.
Die Folge: Frauen finden immer schwerer eine so genannte Beleghebamme, die sie zur Entbindung begleitet. „Sie verlieren die Wahl, ob sie ihr Kind in einer Klinik, einem Geburtshaus oder Zuhause bekommen möchten“, warnt Maren Borgerding vom Deutschen Hebammenverband.
Jennifer Bronsema aus Velbert ist Hebamme aus Berufung. Trotzdem wird sie nach dem Ende ihrer Elternzeit im Januar keine Geburten mehr betreuen. Der Schritt, nur noch Vor- und Nachsorge-Untersuchungen anzubieten, fällt der 29-Jährigen hörbar schwer. „Das ist ein schweres Los für mich. Aber bei sieben Euro Stundenlohn, kann ich mir die teure Berufshaftpflicht von 4200 Euro nicht mehr leisten.“
Ihre Kollegin Heike Kleinschulte ist nun die einzig verbliebene Beleghebamme in Velbert, die Frauen zur Entbindung ins Krankenhaus begleitet. Die Frauen rufen sie inzwischen schon in einem so frühen Stadium der Schwangerschaft an, in dem sie noch nicht einmal einen Mutterpass haben.
„Das ist furchtbar. Die Frauen sind gerade erst schwanger und vielleicht noch gar nicht so weit, sich schon um eine Hebamme zu kümmern“, sagt sie. Die 53-Jährige betreut Frauen aus Velbert, Mettmann, Wuppertal und Essen. Eine überraschende Kehrtwende in den Koalitionsverhandlungen soll den Hebammen-Schwund nun stoppen.
Obwohl es zunächst hieß, dass sich Schwarz-Rot nicht näher mit dem Thema befassen will, wurde es jetzt in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Als Grund dafür gilt eine Online-Petition, in der mehr als 130000 Menschen die Politik zum Handeln auffordern.
Mehr über den Protest und den Arbeitsalltag der Hebammen lesen Sie in der Dienstagsausgabe der Westdeutschen Zeitung.