G20 G20-Gipfel in Hamburg ist auch politisch ein unruhiges Treffen
Der erste Beratungstag des G20-Gipfels bringt noch keine Ergebnisse, aber wichtige Begegnungen — Merkel fordert Kompromissbereitschaft.
Hamburg. Der G20-Gipfel in Hamburg ist ein unruhiges Treffen, und das nicht nur wegen der gewalttätigen Ausschreitungen in der Hansestadt. Bis Freitagabend bleibt die Zusammenkunft der Staatschefs der größten Länder der Welt ohne greifbare Ergebnisse. Wichtiger sind vorerst die Begegnungen am Rande. Vor allem das erste direkte Gespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Wladimir Putin am Nachmittag.
Das Treffen ist in jeder Hinsicht heikel. Beide Supermächte geraten immer öfter aneinander, vor allem in Syrien. Erst am Tag vor dem Gipfel hat Trump in Warschau Russland ein „destablisierendes Verhalten“ vorgeworfen und mit Polen die Lieferung von Abwehrraketen vereinbart. Auf der anderen Seite stehen Trump und sein Umfeld in Washington im Verdacht, gewusst zu haben, dass Russland die Präsidentenwahl zu Trumps Gunsten zu manipulieren versuchte.
Von der einstündigen Begegnung wird in Hamburg wenig bekannt, die Presse ist nur zu Beginn zugelassen. Beide sitzen sehr breitbeinig nebeneinander. Beim ersten Handschlag klopft Trump seinem Gesprächspartner kurz auf die Schulter. „Es ist eine Ehre, hier zu sein und sich mit Ihnen zu treffen“, sagt Trump. Die Szene wirkt machohaft aber weit freundlicher als die Begegnung Merkels am Donnerstagabend mit dem türkischen Präsidenten Erdogan, dem nicht ein Hauch von Lächeln auf dem Gesicht liegt. Vom Inhalt erfährt man auch hier nichts.
Für ihr Gespräch entfernen sich der Russe und Amerikaner ausgerechnet zu einem Zeitpunkt aus der großen Runde, als es noch um die umstrittenste Frage geht: Klimaschutz und Energie. Seit die USA das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt haben, ist unklar, ob es noch eine gemeinsame Linie der G20 gibt. Eindringlich mahnt Merkel die Teilnehmer bei ihrer Eröffnungsrede, Kompromisse zu suchen. „Wir alle wissen, dass die Zeit drängt.“ Allerdings solle sich auch niemand „verbiegen“.
Keineswegs will die Kanzlerin die USA isolieren. Ohnehin gibt es bei G20 nur einvernehmliche Beschlüsse. Außerdem fürchtet man in Berlin, dass Trump seinerseits versuchen könnte, Verbündete zu finden, die das Pariser Abkommen ebenfalls verlassen. Saudi-Arabien wäre so ein Kandidat, aber auch Australien. Umgekehrt erklärt China noch am Vortag, dass es darauf besteht, dass alle klimapolitisch an Bord bleiben. Hinter den Kulissen wird von den „Sherpas“ genannten Spitzenbeamten nun eine Formel diskutiert, die zwar die Pariser Klimaziele bekräftigt, andererseits aber auch erwähnt, dass die USA eigene Wege gehen. Die letzte Entscheidung fällt erst in der Nacht zum Sonnabend. Es wäre ein Kompromiss, der zwar nichts voranbringt, aber auch nichts kaputt macht.
Morgens, in der ersten Beratungsrunde, geht es um die Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Die 20 Regierungschefs sitzen auf weißen Sesseln in einem weiten Rund, alphabetisch gruppiert. Neben Merkel fängt es links mit Argentiniens Mauricio Macri an und hört es rechts mit Donald Trump (USA) auf. Jeder hat ein Mikrofon und ein Tischchen mit Getränken vor sich. 5000 offiziell registrierte Journalisten verfolgen das Geschehen aus einem riesigen Pressezentrum, in das anfangs die Bilder übertragen werden. Nachmittags geht es mit dem Thema Weltwirtschaft und Handel weiter.
Auch hier bleibt noch offen, ob die USA im Schlusskommunique ein Bekenntnis zum freien Welthandel zulassen werden. Die Verhandlungen seien schwierig, sagt Merkel am späten Nachmittag, "da will ich gar nicht drumherum reden". Allerdings ist Trumps Position an dieser Stelle schlechter. Als Begleitmusik verkündet EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Morgen, dass sich die EU und Japan über ein Handelsabkommen einig seien, was ein Drittel der Wertschöpfung der Welt ausmache. Chinas Präsident Xi hat bereits am Mittwoch bei einem direkten Gespräch mit Merkel in Berlin klar gemacht, dass sein Land verstärkt die Kooperation mit Europa sucht. Kanadas Premier Justin Trudeau, der Donnerstagabend bei einem globalisierungskritischen Protestkonzert in der Hamburger Arena eine umjubelte kurze Rede hielt, spricht sich am Freitag für „progessive Handelsabkommen“ aus. Und selbst Putin lässt Ähnliches verlauten. Die Botschaft an Trump ist klar: Du stehst in Sachen Protektionismus alleine da. Im aktuellen Stahlstreit wird sogar schon gedroht. Sollte Washington seinen Markt gegen europäische Importe abschotten, werde die EU „innerhalb von ein paar Tagen reagieren“, kündigt Juncker an. Der EU-Chef launig: „Wir sind in gehobener Kampfesstimmung.“
Am Freitagabend steht für die Gipfelteilnehmer ein Konzertbesuch in der neuen Elbphilharmonie auf dem Programm, das freilich die in Hafennähe agierenden Autonomen stören wollen. Ihnen ist es im Laufe des Tages schon gelungen, dass Partnerprogramm durcheinander zu bringen; Melania Trump kann wegen der Ausschreitungen zunächst ihre Hamburger Unterkunft, das Senatsgästehaus, nicht verlassen. Am Samstag soll es bei den Staatschefs mit Beratungen über einen Investitionsplan für Afrika weitergehen, ehe dann am Nachmittag von Merkel das mit Spannung erwartete Schlusspapier vorgestellt wird.