Gericht schränkt Massen-Gentests ein
Auf der Suche nach Verbrechern darf die Polizei künftig nicht mehr „Beinahe-Treffer“ nutzen — also DNA von Verwandten der Täter.
Karlsruhe. Bei Massen-Gentests zur Aufklärung eines Verbrechens dürfen Ermittler „Beinahe-Treffer“ von Verwandten eines Gesuchten nicht verwenden. Das Gesetz erlaube den Abgleich von DNA mit dem beim Opfer gefundenen Genmaterial nur, soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob das Material von einem der Teilnehmer der Reihenuntersuchung stammt, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH).
Vor zwei Jahren hatte ein junger Mann in einem niedersächsischen Ort eine Frau vergewaltigt. Da alles darauf hindeutete, dass der Täter aus diesem Ort im Emsland kam, wurde eine DNA-Reihenuntersuchung angeordnet. Dabei wurden bei rund 2400 Männern Proben entnommen. Die Analyse ergab zwar keine exakte Übereinstimmung mit den Zellspuren, die beim Opfer gefunden worden waren.
Allerdings fanden sich in zwei Proben starke Ähnlichkeiten, die auf eine Verwandtschaftsbeziehung der Männer mit dem Täter schließen ließen. Daraufhin wurde dieser ausfindig gemacht. Es war der Sohn beziehungsweise Neffe der Männer, die eine ähnliche DNA aufgewiesen hatten. Die Anwälte des Täters hatten den Fall vor den BGH gebracht, weil ihrer Meinung nach die Treffer nicht hätten ausgewertet werden dürfen.
Diese Rechtsauffassung bestätigten die Richter. Das Besondere an dem Fall: Der wegen Vergewaltigung verurteilte Mann, der diese Grundsatzentscheidung jetzt erzwungen hat, fällt selbst nicht unter diese Regelung. Begründung: Die Ermittler konnten damals nicht davon ausgehen, dass der Abgleich mit „Beinahe-Treffern“ unzulässig ist. Deshalb durften sie dieses Beweismittel in diesem Fall verwerten. Die von einem anderen Gericht verhängte Jugendstrafe von fünf Jahren hat damit in diesem Fall Bestand.
„Entscheidend hierfür ist der Umstand, dass die Rechtslage im Umgang mit sogenannten Beinahe-Treffern bei DNA-Reihenuntersuchungen bisher völlig ungeklärt war und das Vorgehen der Ermittlungsbehörden daher noch nicht als willkürliche Missachtung des Gesetzes angesehen werden kann“, heißt es in der Entscheidung. Für künftige Fälle herrsche jetzt aber Klarheit. Die „Beinahe-Treffer“ dürfen nicht mehr verwertet werden. dpa/PK