Biometrische Gesichtserkennung Anwaltverein warnt vor großflächiger Videokontrolle an Bahnhöfen

Düsseldorf · Der Deutsche Anwaltverein kritisiert die Pläne für eine digitale Gesichtserkennung an 135 deutschen Bahnhöfen und 14 Flughäfen. Mit der Technik sollen Menschen identifiziert werden, die zum Beispiel zur Fahndung ausgeschrieben sind. Aber es geraten damit auch Passanten ins Visier, die unschuldig sind.

Eine Überwachungskamera steht vor dem Hauptbahnhof.

Foto: dpa/Arne Dedert

Der Deutsche Anwaltverein warnt vor einem breiten Einsatz von Gesichtserkennungssystemen an Flughäfen und Bahnhöfen. Anlass sind bekannt gewordene Pläne des Bundesinnenministeriums: Danach soll an 135 Bahnhöfen und 14 Verkehrsflughäfen in Deutschland die biometrische Gesichtserkennung genutzt werden. Mit der Technik sollen Menschen identifiziert werden, die zum Beispiel zur Fahndung ausgeschrieben sind.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte bereits im vergangenen September eine Aufsehen erregende Straftat zum Anlass genommen, die Diskussion um eine Videoüberwachung von Bahnhöfen voranzutreiben. Im Sommer hatte ein Mann eine Frau und ihr Kind ins Gleisbett am Frankfurter Hauptbahnhof gestoßen.

Pilotversuch in Berlin stand bereits in der Kritik

Schon Seehofers Amtsvorgänger Thomas de Maizière (CDU) hatte einen Pilotversuch zur biometrischen Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz durchführen lassen. Von Sommer 2017 bis Sommer 2018 wurde dort ein entsprechendes System getestet. Während für die Bundespolizei der Test den Nachweis erbracht hat, dass Straftäter ohne zusätzliche Polizeikontrollen erkannt und festgenommen werden können, kritisierte der Chaos Computer Club (eine Nichtregierungsorganisation für Fragen der Computersicherheit), dass bei der Fehlerquote und bei einer durchschnittlichen Anzahl von etwa 90.000 Reisenden pro Tag an dem Bahnhof täglich 600 Passanten und mehr fälschlich ins Visier der biometrischen Installation gerieten. Mit im Praxisfall allen negativen Konsequenzen wie Befragungen und falschen Verdächtigungen.

Die „Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder“ hatte schon bei dem Pilotversuch noch grundsätzlichere Bedenken geäußert. Durch die biometrische automatisierte Gesichterserkennung werde „eine dauerhafte Kontrolle darüber möglich, wo sich konkrete Personen wann aufhalten oder bewegen und mit wem sie hierbei Kontakt haben.“ Das ermögliche ein Erstellen umfassender Bewegungsprofile.

David Albrecht, Mitglied des Ausschusses Gefahrenbwehr im Deutschen Anwaltverein, warnt angesichts der neuen Pläne: „Wenn massenhaft Gesichter unbescholtener Bürger an Bahnhöfen und Flughäfen gescannt werden, dann liegt darin ein schwerer Grundrechtseingriff.“ Ein Scannen dieses Ausmaßes führe zu einem nicht hinnehmbaren Gefühl des Überwachtwerdens und der Einschüchterung. Saskia Esken, Co-Vorsitzende der SPD, teilt diese Bedenken: Auf Twitter schrieb sie, Videoüberwachung mit Gesichtserkennung sei ein zu hoher Eingriff in die Freiheitsrechte. „Unschuldige Menschen geraten ins Visier.“