Bilanz des ersten Monats Der holprige Start der neuen SPD-Spitze

Berlin · Bei Esken und Walter-Borjans jagt ein Thema das andere – ohne Gewinn für die Partei.

Die beiden Bundesvorsitzenden der SPD Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken jagen einer Idee nach der anderen hinterher.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Seit gut einem Monat sind Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans jetzt Vorsitzende der SPD. Eigentlich gilt da noch eine politische Schonfrist. Aber das Führungsduo selbst hat von Anfang an mächtig Dampf gemacht. Mittlerweile sind die beiden „Auszubildenden“, wie Spötter sie nennen, beinah täglich mit neuen Vorstößen und Forderungen in den Schlagzeilen. Das Problem: Viele davon wirken unausgegoren, was auch in den eigenen Reihen für Stirnrunzeln sorgt.

So stellte Esken am vergangenen Freitag forsch die Polizeitaktik bei den linksextremistischen Ausschreitungen am Silvestertag in Leipzig in Frage. Das Echo war verheerend, zumal ein Beamter schwer verletzt worden war. Esken ruderte zurück und nahm eine Einladung der Polizeigewerkschaft GdP an, um sich dort über Gewalt gegen Ordnungshüter zu informieren. Sich erst sachkundig machen und danach reden hätte Esken sicher viel Ärger erspart. Von ähnlicher Qualität war ihr Vorstoß, die deutschen Soldaten aus dem Irak abzuziehen. Der eigene Außenminister Heiko Maas wusste davon nichts und sah das auch anders.

Norbert Walter-Borjans, einst Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, bekam ebenfalls Befremden zu spüren, als er jüngst eine „Bodenwertzuwachssteuer“ ins Gespräch brachte. Denn die Idee blieb kaum mehr als ein Schlagwort, ein ziemlich bürokratisches noch dazu. Prompt entzündete sich in den sozialen Medien eine Debatte, ob die SPD die Mieten verteuern und Eigenheimbesitzer ebenfalls zusätzlich zur Kasse bitte wolle. Prominente Sozialdemokraten wie der ehemalige Parteivize Ralf Stegner mussten daraufhin klarstellen, dass mit der Idee im Gegenteil bezahlbares Wohnen gefördert werden solle. Auch Walter-Borjans selbst sah sich zu nachträglichen Erklärungen genötigt (Es gehe nur um neues Bauland). Aus dem Vorgang gelernt hat der Parteichef allerdings offenbar wenig.

Am Dienstag wurden von ihm gleich zwei weitere sachlich unpräzise Forderungen bekannt. Zum einen plädierte er für weniger Rüstungsexporte. Doch dürfe die notwendige Umstellung nicht bei den Beschäftigten der betroffenen Unternehmen hängen bleiben. Ja, wie denn nun? Und zum anderen machte er sich für höhere Beitragszahlungen von Gutverdienern in die Rentenkasse stark. Dabei wären viele Geringverdiener schon froh, wenn die seit einer halben Ewigkeit diskutierte Grundrente endlich ins Gesetzblatt käme. Die Halbwertzeit für die neuesten Ideen von Walter-Borjans dürfte damit genauso kurz sein wie die Aufregung über ein Tempolimit auf Autobahnen, einen bundesweiten Mietendeckel, ein Windbürgergeld oder eine Wiederbelebung der Vermögensteuer. Alles Vorschläge, die das SPD-Führungsduo in den letzten Tagen und Wochen ebenfalls lanciert hat.

Das fast schon krampfhaft anmutende Themen-Hopping trägt den Sozialdemokraten keine Pluspunkte bei den Wählern ein. Seit dem Amtsantritt von Esken und Walter-Borjans dümpelt die Partei in den Umfragen konstant zwischen mageren 13 und 15 Prozent. Auch an dieser Stelle hatte das Duo übrigens geradezu Revolutionäres versprochen. Auf die Frage, was ihre Ziele seien, die sie bis Ende 2020 erreichen wollten, antwortete Esken Anfang Dezember in einem Doppelinterview für die Parteizeitung „Vorwärts“: „Zustimmungswerte für die SPD von 30 Prozent und vielleicht mehr“. Mittlerweile hat Esken diese Ankündigung wieder einkassiert.

In der vergangenen Woche meinte sie: „Wir wollen kein Strohfeuer erzeugen. Lieber stetig und Schritt für Schritt mit klarem Kurs Vertrauen zurückgewinnen“. Es bleibt das Geheimnis der beiden Vorsitzenden, warum sie sich selbst bislang so gar nicht daran gehalten haben.